Das Nachdenken über die menschliche Existenz ist von einer Dualität geprägt, die sich oft in einer Spannung zwischen gegensätzlichen Polen manifestiert. Die beiden Pole sind das Streben nach Jugendlichkeit und Unsterblichkeit auf der einen Seite und die existenzielle Angst vor dem Altern, dem Sterben und dem Tod auf der anderen Seite.

Foto von Lola Russian
Foto von Lola Russian

Diese beiden Tendenzen stehen in einem faszinierenden und oft widersprüchlichen Verhältnis zueinander und prägen maßgeblich die menschliche Wahrnehmung, Erfahrung und damit auch das menschliche Verhalten.

‚Forever Young‘

Die Tendenz ‚Forever Young‘ beschreibt das menschliche Streben nach Jugendlichkeit, Vitalität und Unbeschwertheit. Sie ist in vielen Aspekten der modernen Gesellschaft allgegenwärtig, insbesondere in der Konsumkultur und der Medienlandschaft.

Wir streben nach körperlicher Schönheit, nach einem jugendlichen Erscheinungsbild und nach einem aktiven, dynamischen Lebensstil, der von Energie und Abenteuerlust geprägt ist. Dieser Drang, ewig jung zu bleiben, spiegelt sich in der Suche nach Anti-Aging-Produkten, Schönheitsoperationen, Fitness-Trends und einer Fülle von Lifestyle-Magazinen wider, die das Jugendideal propagieren.

Alter, Sterben und Tod

Auf der anderen Seite steht die existenzielle Angst vor dem Altern, dem Sterben und dem Tod. Diese Angst ist tief in der menschlichen Psyche verwurzelt und spiegelt die fundamentalen Grenzen und die Endlichkeit des menschlichen Lebens wider.

Der Tod ist das ultimative Unbekannte, das uns mit unserer eigenen Endlichkeit und Vergänglichkeit konfrontiert. Die Angst vor dem Tod manifestiert sich in verschiedenen Formen des philosophischen, religiösen und spirituellen Suchens nach Antworten und Erklärungen. Sie alle zielen mehr oder weniger darauf ab, dem Unausweichlichen einen Sinn zu verleihen.

Einheit in der Gegensätzlichkeit

Trotz ihrer scheinbaren Gegensätzlichkeit teilen diese beiden Tendenzen eine tiefe Verbindung und sind auf komplexe Weise voneinander abhängig.

Das Streben nach Jugendlichkeit kann als ein Versuch verstanden werden, der Vergänglichkeit des Lebens zu trotzen und sich vor der Vorstellung des Alterns und des Todes zu schützen.

Indem wir unsere Jugendlichkeit betonen und kultivieren, versuchen wir, uns von der Realität des Todes zu distanzieren und ein Gefühl der Kontrolle über unsere Existenz zu bewahren.

Gleichzeitig kann jedoch die übermäßige Fixierung auf Jugendlichkeit und Unsterblichkeit z einer Verleugnung der Realität des Todes und letztendlich zu einem Leben führen, das von oberflächlichen Werten und flüchtigen Vergnügen geprägt ist. Diese Verleugnung des eigenen Endes kann in einem Verlust der Wertschätzung für das eigene und das Leben allgemein resultieren, da wir die Endlichkeit unserer Existenz weder anzuerkennen noch zu würdigen in der Lage sind.

Chancen der Konfrontation

Umgekehrt kann die Auseinandersetzung mit der existenziellen Angst vor dem Tod auch zu einer tieferen Wertschätzung für das Leben führen, indem sie uns dazu anregt, bewusster zu leben und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Indem wir uns der Realität unseres eigenen Todes stellen, können wir eine tiefere Sinnhaftigkeit und Bedeutung in unserem Leben entdecken oder ihm diese in höchsteigener Entscheidungshoheit zuschreiben und somit unsere Werte und Ziele, unseren Lebenssinn, definieren.

So gesehen, können die beiden Tendenzen im menschlichen Denken als komplementäre Kräfte verstanden werden, die dazu beitragen, die menschliche Erfahrung in all ihren Facetten zu erleben, in sich aufzunehmen und zu vertiefen.

Indem wir uns bewusst mit unseren Sehnsüchten nach ‚Forever Young‘ und unseren Ängsten vor dem Sterben und dem Tod auseinandersetzen, können wir ein ausgewogeneres und erfüllteres Leben führen, das von einer tieferen Verbindung zu uns selbst, unseren Mitmenschen und der Welt, in der wir leben, geprägt ist.

Es ist das kollektive (Un-)Bewusste über das Unumstößliche unserer Existenz, was letzten Endes alle Menschen miteinander teilen und verbindet.