Die Welt befindet sich in einem rasanten Wandel. Wir Menschen sehen uns noch nie dagewesenen Herausforderungen gegenübergestellt. Klimawandel, Energiekrise, politische und militärische Konflikte vor unserer Haustür und weltweit belasten uns nicht nur psychisch, sondern auch physisch.  

Unsere Körper reagieren mit einem geschwächten Immunsystem, einer geringen Stressresilienz, Herz- und Kreislaufschwierigkeiten, depressiven Verstimmungen und Energielosigkeit. Nervosität und Angstgefühle sind Kennzeichen unserer Gegenwart, die geprägt ist von Hektik und Unsicherheit.

Und er hat’s erdacht: Pfarrer Sebastian Kneipp (1821 – 1897)
Und er hat’s erdacht: Pfarrer Sebastian Kneipp (1821 – 1897)

Um so wichtiger sind Momente der Entkoppelung, des Abschaltens und Runterkommens, Momente der Ruhe und Reflexion, der Neubesinnung und Neudefinition.

Um so überraschender, dass eben diese Dinge in einer Kneipp-Kur und in den 5 Säulen der Kneipp-Medizin, auch Kneipp-Therapie genannt, zu finden sind.

Die Kneipp-Therapie: mehr als nur Wasser

Denkt man an eine Kneipp-Kur, sieht man zunächst ältere Menschen wie Störche durch ein Tretbecken stapfen.

Nur ein Beispiel: Durch Wassertreten wird der Kreislauf angeregt und die arterielle Durchblutung gefördert. Der Kältereiz lässt die oberflächlichen Blutgefäße kontrahieren. Gemeinsam mit der Muskelbewegung fördert dies auch den venösen Blutstrom und beugt Krampfadern vor.

 Durch Wassertreten wird der Kreislauf angeregt und die arterielle Durchblutung gefördert.
Durch Wassertreten wird der Kreislauf angeregt und die arterielle Durchblutung gefördert.

Dabei bestehen eine vollständige Kur und das dazugehörige Therapiekonzept aus so viel mehr. Es beinhaltet zwei Aspekte, die das Leben umfassend und ganzheitlich durchdringen.

Es sind Prävention und Nachhaltigkeit.

Die Ganzheitlichkeit des Kneipp‘schen Medizin zeigt sich in den 5 Säulen, auf denen sein theoretischer Hintergrund und seine praktischen Therapievorschläge und Interventionen ruhen.

Säule Nummer 1 ist mit ‚Ordnung‘ überschrieben. Sie ist Hauptbestandteil des theoretischen Hintergrunds. Es ist die Vorstellung des Gleichgewichts, der Balance, der Harmonie zwischen Körper, Geist und Seele. Aus systemtheoretischer Sicht kann man die drei Akteure als untereinander und voneinander abhängige Kräfte des Systems ‚Mensch‘ sehen. Alle drei Faktoren müssen auf die sich ständig ändernden Bedingungen der Umgebung reagieren.  Fühlt der Mensch sich körperlich nicht wohl, schlägt es sich auf die Stimmung nieder und damit auch auf seine Leistungsfähigkeit.

Angemessene Interventionen können zum Beispiel Bewegung an der frischen Luft, ein Saunabesuch, ein beruhigendes Vollbad, autogenes Training oder jegliche Form der Entspannungsübung sein. Ziel ist es, ein relativ stabiles, aber nicht starres Gleichgewicht zu erreichen.

Säule Nummer 2 sind die eigentlichen Wasseranwendungen. Kalt-warme Güsse oder Duschen dienen der Entspannung. Sie schaffen neue Kraft, autogenes Training und Meditation schaffen Distanz zur belastenden Situation, warm-kalte Wassergüsse härten den Körper ab. Alles zusammen, sozusagen eine multimodale Intervention, erhöht die Flexibilität und die Anpassungsfähigkeit des Gesamtsystems ‚Mensch‘.

Wechselwarme Fußbäder als eine der einfachen Formen einer Reiztherapie © iStock.com/CreativeDream
Wechselwarme Fußbäder als eine der einfachen Formen einer Reiztherapie © iStock.com/CreativeDream

Das Wasser gilt hier in seinen unterschiedlichen Anwendungsformen als Reizelement. Wechselgüsse, kalt-warme Bäder oder Sauna-Anwendungen gleichen einer Konfrontationsintervention der dialektisch-behavioralen Verhaltenstherapie.

Bewegungen
Bewegungen

Säule Nummer 3 sind Bewegungen. Besonders das Herz-Kreislauf- sowie das Immunsystem, die Muskulatur und der Stoffwechsel allgemein profitieren von regelmäßigen sportlichen Aktivitäten. Walken, Wandern, Radfahren, Schwimmen und Gymnastik bieten sich als Ausdauersportarten an.

Auch Tanzen gehört dazu.

Bei Letzterem geht man über seine eigenen Bewegungsformen hinaus, denn man muss sich mit dem Partner harmonisieren und synchronisieren. Weiterhin bindet man sich als Paar in eine größere Gemeinschaft ein.

Auch Tanzen gehört dazu.
Auch Tanzen gehört dazu.

Diese Aktivitäten unterscheiden sich zu denen der Säule 2 durch längere Zeitintervalle. Statt kurzfristiger Impulse mit häufigem Wechsel geht es hier um langsame, aber stetige Formen von Ausdauerübungen. So können Wandern, Joggen und Walken verbunden werden mit meditativen Elementen oder Achtsamkeitsübungen.

Interessant für Männer sind die Ergebnisse von Studien, die den Nachweis liefern, dass dreimalige Übungen pro Woche von ca. 45 Minuten gleich starke Effekte zeigen wie die Einnahme von Viagra. (Exercise as Good as Viagra for ED: Study – Medscape – Oct 23, 2023. /ED = erektile Dysfunktion = Erektionsschwäche).

Während Potenzmittel wie Viagra, Cialis u.Ä. sehr häufig mit Nebenwirkungen verbunden sind, kann der sportlich aktive Mensch sogar das Ausmaß an Muskelkater selbst bestimmen. Jeder kann trainieren, ohne einen Arzt um ein Rezept bitten zu müssen. Trotzdem ist eine vorhergehende haus- oder fachärztliche Abklärung anzuraten.

Die Wirkung der entsprechenden sportlichen Aktivitäten auf die Libido der Frau sind bisher noch nicht ausreichend erforscht.

Der Sportmediziner Frank Sommer aber sieht insbesondere Yoga und Pilates als geeignete und luststeigernde Mittel für beide Geschlechter. (www.spektrum.de/kolumne/libido-macht-sport-mehr-lust-auf-sex/1821113)

Säule Nummer 4 betrifft die Ernährung, natürlich auch und gerade im Kontext der Kneipp-Medizin.  Es geht auch um die Frage des Lifestyles, der allgemeinen Lebensführung, verbunden mit der Einstellung gegenüber Pflanzen und Tiere. Kneipp empfiehlt eine ausgewogene Mischkost aus hohen pflanzlichen und sehr geringen tierischen Anteilen. Bei Letzterem soll Fisch im Vordergrund stehen.

© OSD & Wikimedia Commons: Lebensmittelpyramide der sge 2005.svg, Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE)
© OSD & Wikimedia Commons: Lebensmittelpyramide der sge 2005.svg, Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE)

Gesundheitliche Überlegungen sollen bereits Teil der Einkaufsplanung, der Zubereitung und der Nahrungsaufnahme selbst sein. Man kann sich selbst dabei beobachten, bei welchen Gedanken an welche Nahrungsmittel sich ein Wohlbefinden oder eine Abneigung bemerkbar macht.  Wenn man ökonomische, ökologische Gedanken einfließen lässt, das Tierwohl mit einbezieht, schaut man über den eigenen Tellerrand hinaus und erweitert seinen Interessenshorizont. Der eigene Fokus richtet sich unweigerlich auf weitere Aspekte und Hintergründe als denen der reinen Nahrungsaufnahme.

Säule Nummer 5 führt zu den Heilkräutern und sind ein Teil der Kneipp’schen Phytotherapie, also der Naturheilkunde. Es handelt sich hierbei um Pflanzen oder Pflanzenteile, denen eine Heilwirkung oder gesundheitsförderliche Wirkungen nachgesagt werden.

Gewürze
Gewürze

Sie werden als Gewürze verwendet wie Schnittlauch, Kresse und Petersilie, oder in getrockneter Form als Extrakte für Tees, Aufgüsse oder als Alkohol- und Wasserauszüge, sowie als Badezusätze, Tinkturen oder Säfte.

Obwohl die Kneipp-Medizin oder auch Kneipp-Therapie natürliche und naturnahe Interventionen beinhalten, greifen Interventionen jeglicher Art unmittelbar in das Gesamtgeschehen der menschlichen Physis und Psyche ein.

Darum dieser wichtige Hinweis: Weder eine Selbsttherapie noch ein Selbstheilungsversuch ohne vorherige haus- und fachärztliche Abklärung.

Weitere Informationen z.B. unter www.kneippbund.de/gesundheitsidee