Einleitung

Sokrates - Foto_ Pixabay
Sokrates – Foto: Pixabay

Sokrates war ein griechischer Philosoph und lebte von 469 v. Chr. bis 399 v. Chr. Er ist bekannt durch die sogenannte ‚Sokratische Methode‘, bei der durch geschicktes Befragen der Gesprächsteilnehmer deren scheinbar unerschütterlichen Grundannahmen und felsenfesten Überzeugungen in Zweifel gezogen werden. Sie können dann bestärkt oder auch widerlegt werden. Das ‚sokratische Gespräch‘ ist also ein Weg zur Selbsterkenntnis durch Erlangen von Kenntnissen und Erkenntnis.

Sokrates selbst hat keine eigenen Schriften hinterlassen. Sein Schüler Platon hat einige Gespräche in Dialogform aufgeschrieben, wobei unklar bleibt, ob sie in dieser Form tatsächlich stattfanden, oder ob Platon seine eigenen Gedanken und Ideen mit einfließen ließ.

Sokrates wurde wegen angeblicher Gottlosigkeit und Verführung der Jugend angeklagt und zum Tode verurteilt. Seine Verteidigungsrede vor Gericht findet sich in Platons Werk „Die Apologie des Sokrates“ wieder.

Das ‚Sokratische Gespräch‘ in der Psychotherapie

Das ‚Sokratische Gespräch‘ hat sich als kraftvolles Instrument in der Psychotherapie erwiesen. Durch gezieltes Fragen und die Förderung des eigenen kritischen Denkens und Hinterfragens werden Selbstreflexion und Einsicht gefördert.
Durch systematische und strukturierte Fragen gelangt der Klient zu tieferen Einsichten über seine eigenen Überzeugungen und Glaubenssätzen und lernt die eigene Existenz aus neuen Perspektiven zu sehen und zu beurteilen. Es ist somit ein Teil des Prozesses der Selbstentdeckung.

Die Bedeutung des Sokratischen Gesprächs

Diese Art des vom Therapeuten initiierten und strukturierten Dialogs bietet dem Klienten 3 aufeinander aufbauende und sich ergänzende Prozesse.

  1. Förderung der Selbstreflexion: Das Sokratische Gespräch ermöglicht es dem Klienten, seine eigenen Gedanken und Überzeugungen zu erkunden. Durch gezielte Fragen des Therapeuten wird der Klient angeregt, über seine Annahmen nachzudenken und die Quellen seiner Überzeugungen zu hinterfragen. Dieser Prozess fördert die Selbstreflexion und unterstützt den Klienten dabei, ein tieferes Verständnis für seine inneren Prozesse zu entwickeln.
  2. Entwicklung des kritischen Denkens: Sokratische Dialoge fördern kritisches Denken, indem sie den Klienten dazu ermutigen, Annahmen zu hinterfragen und rationale Überlegungen anzustellen. Der Therapeut stellt Fragen, die den Klienten dazu bringen, über seine Überzeugungen nachzudenken, mögliche Widersprüche zu erkennen und alternative Perspektiven zu berücksichtigen. Dies trägt zur Entwicklung einer kritischen Denkhaltung bei.
  3. Ermöglichung von Perspektivwechseln: Das Sokratische Gespräch eröffnet die Möglichkeit für Perspektivwechsel. Indem der Klient seine eigenen Überzeugungen analysiert und alternative Standpunkte in Betracht zieht, kann er neue Sichtweisen entwickeln. Dieser Perspektivwechsel kann zu einem tieferen Verständnis der eigenen Motivationen und Bedürfnisse führen.
Der Streit - Foto: Pixabay
Der Streit – Foto: Pixabay

Ein konkretes Beispiel

Angenommen, ein Klient leidet unter starkem Selbstzweifel. Der Therapeut könnte mit einer sokratischen Frage wie ‚Welche Beweise haben Sie dafür, dass Ihre Selbstzweifel gerechtfertigt sind?‘ beginnen.

Durch systematische Nachfragen könnte der Therapeut dem Klienten helfen, seine eigenen Gedankenmuster zu identifizieren, die zu Selbstzweifeln führen. Der Klient könnte erkennen, dass bestimmte negative Überzeugungen auf irrationalen Annahmen basieren, und beginnen, alternative, unterstützende Gedanken zu entwickeln.

Das Gespräch - Foto: Pixabay
Das Gespräch – Foto: Pixabay

Eine beispielhafte Abfolge von Fragen, die der Therapeut verwenden könnte:

  1. Öffnende Frage

    Therapeut: ‚Können Sie mir mehr darüber erzählen, was Sie dazu bringt, an Ihren Fähigkeiten und Ihrem Wert zu zweifeln?‘
  2. Explorative Fragen zur Identifizierung der Überzeugungen

    Therapeut: ‚Welche Gedanken kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie über sich selbst und Ihre Fähigkeiten nachdenken?‘

    Therapeut: ‚Gibt es spezielle Situationen oder Muster, in denen diese Selbstzweifel besonders auftreten?‘
  3. Vertiefende Fragen zur Analyse der Überzeugungen

    Therapeut: ‚Welche Beweise haben sie dafür, dass diese Selbstzweifel gerechtfertigt sind?‘

    Therapeut: ‚Gibt es konkrete Beispiele, die Ihre Überzeugungen stützen?‘
  4. Fragen zur Identifikation von irrationalen Annahmen

    Therapeut: ‚Können Sie erkennen, ob Ihre Gedanken auf bestimmten irrationalen Annahmen basieren?‘

    Therapeut: ‚Gibt es vielleicht Überzeugungen, die Sie von anderen übernommen haben, ohne sie zu hinterfragen?‘
  5. Alternativfragen und Perspektivwechsel

    Therapeut: ‚Können Sie sich vorstellen, wie jemand, der Ihre Fähigkeit bewundert, Ihre Situation betrachten würde?‘

    Therapeut: ‚Was würde passieren, wenn Sie sich selbst mit mehr Verständnis und Mitgefühl betrachten würden?
  6. Reflektierende Fragen zur Integration

    Therapeut: ‚Wie fühlen Sie sich jetzt, nachdem wir diese Gedanken und Überzeugungen genauer betrachtet haben?‘

    Therapeut: ‚Gibt es Aspekte an sich selbst, die Sie jetzt anders sehen oder verstehen?‘
  7. Abschließende Zusammenfassung und Ausblick

    Therapeut: ‚Wir haben heute einige Ihrer Gedanken und Überzeugungen erkundet. Denken Sie, dass es hilfreich sein könnte, weiter darüber nachzudenken oder bestimmte Veränderungen vorzunehmen?

    Therapeut: ‚Was könnten Sie tun, um Ihre Selbstzweifel zu hinterfragen und konstruktiver mit ihnen umzugehen?‘

Fazit

Dieses Beispiel zeigt einen strukturierten Ansatz, bei dem der Therapeut durch gezielte Fragen den Klienten dazu ermutigt, seine eigenen Überzeugungen zu analysieren und alternative Perspektiven zu entwickeln. Der Fokus liegt auf der Förderung von Selbstreflexion und der Identifizierung von irrationalen Denkmustern, um den Selbstzweifel zu mindern oder zu eliminieren. Es ist wichtig, dass der Therapeut einfühlsam und unterstützend bleibt, während er den Klienten durch diesen Prozess führt.

Quellen:

https://www.studysmarter.de/schule/geschichte/antike/sokrates/

https://www.geo.de/geolino/mensch/18814-rtkl-weltveraenderer-sokrates-der-grosse-denker

https://www.beltz.de/fachmedien/psychologie/produkte/details/4346-sokratische-gespraechsfuehrung-in-therapie-und-beratung

https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4907654