Drei besorgte Experten mahnen

1. Einleitung

Für ein online-meeting im Rahmen der ärztlichen Fortbildung über Medscape trafen sich Dr. Stephen M. Strakowski, Professor für Psychiatrie an der Indiana University und Vizepräsident der Texas University, Dr. Leslie Hulvershorn, Professorin an der Indiana University und Dr. Christopher Hammond, Assistenzprofessor an der Johns Hopkins University.

MedscapeNews
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Sie äußerten ihre Bedenken und Befürchtungen zu einem sorglosen Umgang mit Cannabis, insbesondere im Bereich der Medizin, Psychologie und Psychiatrie.

Alle drei Teilnehmer plädierten in eine gemeinsame Richtung, sodass der Dialogcharakter der Aufzeichnung verlassen werden kann und die Argumente in chronologischer Reihenfolge präsentiert werden können.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
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2. Anwendung von Cannabis als aktuelles Thema

In den sozialen Medien, in Berichten und Interviews in Print, Funk und TV wird die Anwendung von Cannabis auch bei psychiatrischen Erkrankungen propagiert.
Viele Ärzte und Vertreter der heilenden und helfenden Berufe sehen nicht nur den Genuss von Cannabis als harmlos, sondern auch die Verwendung in der Psychiatrie als vielversprechend an.

Dagegen wird eingewandt, dass es nur sehr wenige randomisierte, placebokontrollierte klinische Studien gebe, die die Grundlage einer guten Behandlung sein könnten.

Bild von cytis auf Pixabay
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3. Die Wirkstoffe

Die Cannabispflanze ist eigentlich eine sehr komplizierte Pflanze, in der es viele verschiedene Verbindungen gibt, die aus ihr stammen, deren Wirkungen noch nicht klar verstanden werden. Auch in der THC-Forschung gibt es keine Beweise, dass es bei psychiatrischen Störungen hilft. Im Gegenteil, es gibt viele Studien, die zeigen, dass THC tatsächlich psychiatrische Störungen verschlimmerten oder sogar hervorrufen. Eine andere Diskussion gibt es über das Cannabidiol als Verbindung der Pflanze, womit bestimmte Angststörungen behandelt werden können. Es konnte jedoch festgestellt werden, dass auch seltene Formen von Epilepsie durch die Einnahme von Cannabidiol verbessert werden können.

In einer Studie über die Episode einer Manie wurde festgestellt, dass der regelmäßige Konsum das Risiko für spätere manische Episoden wesentlich erhöht. Außerdem erhöht die Verabreichung von THC und Cannabidiol, ebenso von Medikamenten, die diese Wirkstoffe nachahmen, das Risiko starker Nebenwirkungen, insbesondere was Auslösung von Panikattacken, Psychosen und dysphorische Episoden betrifft.

Dysphorische Episoden zeichnen sich durch Niedergeschlagen- und Gereiztheit, missmutige und schlechte Laune aus. Bei bestimmten genetischen Veranlagungen ist das Risiko für die Entwicklung einer Psychose bei Cannabiskonsum sehr hoch.

4. Früher Konsum und Risiken

Bei regelmäßigem Konsum von Cannabis bei Jugendlichen unter 14 Jahren gibt es viele Bedenken hinsichtlich der Verschlechterung von Psychosen und anderen psychischen Symptomen, aber auch was die kognitiven Fähigkeiten wie das Gedächtnis allgemein und das Arbeitsgedächtnis im Besonderen betrifft.

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay
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In Studien über den Konsum von Cannabis durch schwangere Frauen hat man herausgefunden, dass nicht nur die Entwicklung des Gehirns des Fötus beeinflusst, sondern auch das Immunsystem geschwächt wird. Eine Längsschnittstudie über einen Zeitraum von bis zu 40 Jahren förderte einen Dosiseffekt zwischen Cannabiskonsum und späteren negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit zutage.

5. Der Dosiseffekt als Teufelskreis

Der kurzfristige Dosiseffekt beim Konsum von Cannabis kann ein leichtes bis stärkeres Gefühl der Entspannung sein. Bei kurzfristig höheren Dosen drohen Bewusstseinseintrübung und Kontrollverlust.

Beim langfristigen Dosiseffekt, wenn also jemand über einen längeren Zeitraum regelmäßig große Mengen Cannabis konsumiert, drohen unter Umständen schwere gesundheitliche Schäden wie Herz-Kreislauf-Probleme und psychische Beeinträchtigungen. Durch die Tatsache, dass oft eine ständige Steigerung der Dosis pro Konsum zu beobachten ist, begibt sich der Konsument in einen Teufelskreis.

Je früher also eine Person mit dem Drogenkonsum beginnt, je häufiger sie konsumiert und je ausdauernder ihr Konsum im Laufe der Zeit ist, desto schlechter sind die Ergebnisse für die psychische Gesundheit dieser Person im Vergleich zu Personen, die sich für eine Abstinenz entscheiden, oder Personen, die nur ein paar Mal konsumieren und dann aufhören.

For Medical use only
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6. Gesetzliche Zulassung in den USA

In den USA sind Medikamente auf Cannabinoidbasis nur für sehr enge Indikationen zugelassen, von denen keine psychiatrischen Erkrankungen sind. Zugelassen sind sie für die Chemotherapie-assoziierte Übelkeit und Erbrechen, behandlungsresistente Anfälle im Zusammenhang mit seltenen Anfallsleiden und tuberöser Sklerose. Die Zulassung gilt ebenso für die Behandlung von Multipler-Sklerose-assoziierter Spastik und zentralen neuropathischen Schmerzen.

Es darf letztlich aber nicht übersehen werden, dass auf der Anbieterseite, auch in Deutschland, eine Interessengemeinschaft zu sehen ist, die enorm viel Geld verdienen kann, was für diesen Akteur die wirkliche Motivation der Forderung nach Freigabe von Cannabis darstellt.

Es darf auch nicht vergessen werden, dass es sich um eine gewinnorientierte Industrie in einer kapitalistischen Gesellschaft handelt, eine Industrie, die sehr effektiv in der Lobbyarbeit ist. Sie manipuliert die Öffentlichkeit und lässt die Menschen glauben, dass ihre Produkte gesund sind, nur weil sie im Boden wachsen und nicht aus einem Labor von Big Pharma stammen.

7. Fazit

Die Experten in ‚Cannabis for Psychiatric Disorders? ‚Not Today,‘ betonen das Fehlen von klinischen Studien zu Cannabis und weisen darauf hin, dass THC, der Hauptwirkstoff, keine nachweisbare Wirksamkeit, sondern eher negative Auswirkungen auf psychische und psychiatrische Störungen zeigt. Sie warnen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Schwangeren vor den Risiken von Cannabis. Sie unterstreichen die mangelnde Sicherheit von Cannabis, besonders für die sich noch entwickelnde Gehirne. Sie appellieren an die Entscheidungsträger, sich auf die evidenzbasierte Forschung zu konzentrieren und zu verlassen, bevor Cannabis als Behandlungsoption für psychische und psychiatrische Erkrankungen in Betracht gezogen wird.

Quelle: Stephen M. Strakowski, Leslie A. Hulvershorn, Christopher J. Hammond. Cannabis for Psychiatric Disorders? ‚Not Today,‘ Experts Say – Medscape – Jan 08, 2024.