In einer Welt, die stärker vernetzt ist, als je zuvor, fordert eine stille Epidemie ihren Tribut. Ein Drittel der Erwachsenen berichten über chronische Einsamkeit. Es ist ein Zustand mit negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden. Er führt von Angstzuständen und Depressionen bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen, Alzheimer und Parkinson. Einsamkeit ist mehr als ein Gefühl, es stellt eine ernsthafte Bedrohung für Gehirn, Körper, Geist und Seele dar.

Aber was zeigt die neueste Forschung über die Verbindung zwischen Einsamkeit und neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen, und wie ist dieses Problem anzugehen?

Einsamkeit und soziale Isolation sind unterschiedliche Phänomene. Soziale Isolation ist ein objektives Maß für die Anzahl der Menschen, mit denen jemand regelmäßig interagiert, während Einsamkeit ein subjektives Gefühl ist, das auftritt, wenn enge Verbindungen fehlen.

Menschen können sich in einer Menschenmenge einsam oder mit nur wenigen Freundschaften gut verbunden fühlen. Es geht mehr um die Qualität der Verbindung und die Qualität der eigenen Wahrnehmung davon.

Die Beweise, dass Einsamkeit ein aufkommender Risikofaktor für viele Krankheiten ist, wachsen stetig und sprechen für einen direkten Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und Einsamkeit sowie koronaren Herzerkrankungen und Sterblichkeit durch Schlaganfälle. Das Broken-Heart-Syndrom ist nur ein Beispiel. Darüber hinaus zeigen viele Studien, dass Personen, die soziale Isolation oder Einsamkeit erfahren, ein erhöhtes Risiko für Angstzustände und Depressionen, Demenz, Infektionskrankheiten, Krankenhausaufenthalte und eine höhere Sterblichkeit haben.

Einsamkeit ist stigmatisierend, was dazu führt, dass Menschen sich unsympathisch fühlen und sich selbst die Schuld geben, was sie daran hindert, sich Ärzten oder geliebten Menschen anzuvertrauen. Gleichzeitig denken viele Gesundheitsdienstleister möglicherweise nicht daran, nach Einsamkeit zu fragen oder kennen mögliche Interventionen nicht.

Es gibt Hinweise darauf, dass Isolation eher körperliche Gesundheitsauswirkungen vorhersagt, während Einsamkeit eher Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat. Es bleibt aber die Frage, ob Einsamkeit schlechte Gesundheit verursacht oder ob Menschen, die bei schlechter Gesundheit sind, sich einsam fühlen, weil schlechte Gesundheit zu sozialer Isolation führen kann. Wahrscheinlich ist es ein bisschen von beidem, was in sich wiederum einen Teufelskreis bildet.

Auch die Verabreichung des Kuschelhormons Oxytocin über ein Nasenspray reduziert zwar das Gefühl von Einsamkeit und könnte somit positive Effekte bei situativer Einsamkeit verstärken. Das Medikament zeigte aber keinen signifikanten Effekt im Falle einer chronischen Einsamkeit. Einsamkeit löst in der Hirnaktivität ein ähnliches Muster aus, wie es Hunger tut. Menschen mit höheren Einsamkeitswerten weisen geringere Volumina an grauer Substanz in bestimmten Hirnregionen, darunter der linken Amygdala und des Hippocampus. Diese Regionen sind entscheidend für die Emotionsregulation und komplexere kognitive Prozesse wie Selbstreflexion und exekutive Funktionen. Länger andauernde Einsamkeit ist mit erhöhten Spiegeln von Stresshormonen verbunden, die über längere Zeit den Hippocampus schädigen können. Zudem kann reduzierte kognitive und soziale Stimulation zum Schrumpfen des Gehirnvolumens in Regionen führen, die wichtig für Gedächtnis und emotionale Verarbeitung sind. Es gilt der Grundsatz: use it, or lose it. (wenn du es nicht regelmäßig nutzt, geht es verloren).

Neugierde und Wissensdurst sind Kennzeichen einer umfangreichen sozialen und umweltbezogenen Vielfalt, das mit positiven emotionalen Zuständen verbunden ist und das Belohnungssystem des Gehirns stimuliert, positive Gefühle fördert und potenziell die emotionale Belastung durch Einsamkeit verringern kann.

In einigen Ländern gibt es bereits das ‚Social Prescribing‘, bei dem den Patienten eine Gruppenaktivität oder einen regelmäßigen Besuch eines psychologischen Beraters verschrieben wird. Es kann aber nur dann funktionieren, wenn die individuelle Situation des Patienten berücksichtigt wird.

Viele Menschen haben in ihrem Leben unterschiedliche Probleme, die es ihnen erschweren, soziale Kontakte zu knüpfen. Es können gesundheitliche, zeitliche Gründe sein oder aber bestimmte Lebensereignisse. Das bloße Ermutigen zur sozialen Interaktion wird ihnen daher nicht unbedingt helfen. Es müssen individuell angepasste Interventionen entwickelt werden, um ihnen angemessene Bewältigungsstrategien vermitteln zu können.

Eines scheint jedoch klar zu sein, nämlich dass Gesundheitsdienstleister sich des Gesundheitsrisikos Einsamkeit und soziale Isolation stärker bewusst sein sollten, um in der Lage zu sein, gefährdete Personen zu identifizieren und ihnen die bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen.

Einsamkeit darf keine dauerhafte Belastung für jemanden sein.

Quelle: Silent Epidemic: Loneliness a Serious Threat to Both Brain and Body – Medscape – November 04, 2024.

Bilder: KI-generiert chatGPT