‚Wenn Sie Ihre Anfälligkeit für Unglück und Leid maximieren wollen, empfehle ich Ihnen: Gehen Sie möglichst behütet durchs Leben. Versuchen Sie, jeden noch so kleinen Stressfaktor frühzeitig auszuschalten, jeden möglichen Stolperstein großräumig zu umgehen. Baden Sie stattdessen im Komfort. Schauen Sie zu, dass Sie möglichst lange in einem metaphorischen Glashaus aufwachsen. Wenn Sie dann mal draußen sind in der Welt, werden Sie ganz bestimmt beim ersten Windstoß einknicken.‘ (www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/die-kunst-des-miserablen-lebens-umgehen-sie-jede-schwierigkeit/ar-BB1qm7kv)
Aber was, wenn ein Mensch nicht anders kann?
Was für Erwachsene gilt, gilt für Kinder um so mehr. Eltern kennen, erfahren und erleiden die Trotzphasen ihrer Kinder. Vom einfachen Neinsagen bis hin zur nervlichen Zerreißprobe mit Toben, Schreien und Weinen sind die ersten Versuche der Selbstbehauptung, der Entwicklung der Selbstbestimmung und Selbstentscheidung verknüpft. Oft aus nichtigem Anlass entwickelt sich ein Drama, das alle Grenzen überschreitet und außer Kontrolle gerät.
Wurde ein solches Verhalten im fortgeschrittenen Kindes- und Jugendalter oft als Störung des Sozialverhaltens diagnostiziert, gibt es seit einigen Jahren ein anderes Konzept, das sich in der psychotherapeutischen Praxis immer mehr durchsetzt: die Pathological Demand Avoidance (PDA), auch als extremes Vermeiden von Anforderungen.
Pathologische Demand Avoidance ist eine komplexe neurologische Entwicklungsstörung, die vor allem durch eine extreme Vermeidung von Anforderungen und Aufgaben geprägt ist. Kinder, die an PDA leiden, zeichnen sich häufig durch eine hohe Intelligenz und Kreativität aus. Gleichzeitig fällt es ihnen jedoch schwer, sich an Regeln zu halten oder Aufgaben zu erleiden, die von anderen gestellt werden.
Angst vor Kontrollverlust
PDA manifestiert sich vor allem durch das starke Bedürfnis, Kontrolle über die eigenen Handlungen zu behalten, was oft zu einer ausgeprägten Vermeidung von Anforderungen führt. Kinder mit PDA wirken nach außen hin oft charmant und sozial kompetent, obwohl sie in vielen Fällen intensive und spezifische Interessen haben, denen sie mit großer Leidenschaft nachgehen. Zu den zentralen Merkmalen von PDA gehört eine extreme Vermeidung von Anforderungen, selbst wenn die betroffenen Kinder in der Lage wären, die gestellte Aufgabe zu bewältigen. Diese Vermeidungsstrategien treten vor allem dann au, wenn die Kinder das Gefühl haben, die Kontrolle über eine Situation zu verlieren. In den Fällen, in denen sie jedoch die Kontrolle behalten, zeigen sie häufig eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit. Trotz ihrer Schwierigkeiten verfügen viele Kinder mit PDA über ausgezeichnete soziale Fähigkeiten und können sehr charmant wirken. Ihre intensive Hingabe zu bestimmten Interessen lässt sie oft in Themen eintauchen, die sie mit großer Begeisterung verfolgen.
Die Andersartigkeit verstehen und akzeptieren
Für Kinder mit PDA ist es wichtig, ihre Andersartigkeit zu verstehen und zu akzeptieren. Dies kann ihnen helfen, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Eine offene Kommunikation mit Eltern, Lehrern oder Therapeuten über Gefühle und Schwierigkeiten kann ebenfalls hilfreich sein. Da Kontrolle ein zentrales Thema bei PDA ist, sollten Kinder Wege finden, mehr Kontrolle über ihren Alltag zu erlangen, etwa durch Mitspracherechte oder Entscheidungsfreiräume. Ihre intensiven Interessen können zudem als Mitovation und als Mittel zur Ablenkung in schwierigen Situationen dienen.
Die Eltern von Kindern mit PDA sollten sich gründlich über die Störung informieren, um die Bedürfnisse ihres Kindes besser zu verstehen und es optimal unterstützen zu können. Eine enge Zusammenarbeit mit Lehrern und Therapeuten ist entscheidend, um eine einheitliche und effektive Unterstützung zu gewährleisten. Flexibilität in den Anforderungen und das Angebot von Alternativen, die dem Kind mehr Kontrolle ermöglichen, können ebenfalls hilfreich sein. Es ist wichtig, die Stärken des Kindes zu fördern und es für seine Erfolge zu loben.
Auch für Lehrer ist es wichtig, die speziellen Bedürfnisse von Kindern mit PDA zu erkennen und den Unterricht entsprechend anzupassen. Individuelle Unterstützung und positive Verstärkung durch Belohnungen und Rückmeldungen können dabei helfen, erwünschtes Verhalten zu fördern. Eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern und Therapeuten ist unerlässlich, um das Kind bestmöglich zu unterstützen. Flexibilität in den Anforderungen und das Angebot alternativer Wege, um Lernziele zu erreichen, sollten ebenfalls in Betracht gezogen werden.
Für Therapeuten liegt der Fokus zunächst auf einer präzisen Diagnostik und der Erstellung eines maßgeschneiderten Therapieplans. Verhaltenstherapeutische Ansätze können dazu beitragen, unerwünschtes Verhalten zu reduzieren und positive Verhaltensweisen zu fördern. Die Beratung der Eltern ist ein weiterer zentraler Aspekt, um ihnen zu helfen, den Alltag besser zu bewältigen. Eine enge Zusammenarbeit mit Lehrern und anderen Therapeuten ist notwendig, um eine ganzheitliche Unterstützung des Kindes zu ermöglichen.
Was ist zu tun – was kann getan werden?
Wichtig ist es, zu verstehen, dass PDA keine Erziehungsfrage ist. Es handelt sich um eine neurologische Entwicklungsstörung, die nicht durch falsche Erziehung verursacht wird. Jedes Kind mit PDA ist einzigartig, weshalb allgemeingültige Ratschläge oft nicht ausreichen. Eine individuelle Herangehensweise ist notwendig, und professionelle Hilfe sollte nicht gescheut werden, um die bestmögliche Unterstützung für das Kind zu gewährleisten.
Für die Therapie von PDA sind individuelle Anpassungen an die spezifischen Bedürfnisse des Kindes erforderlich. Das Ziel besteht darin, die Lebensqualität zu verbessern, indem Vermeidungsverhalten reduziert und die Selbstständigkeit gefördert wird. Eine enge Kooperation zwischen Eltern, Lehrern, Therapeuten und Ärzten ist entscheidend. Fortschritte sollten immer positiv verstärkt werden, und ein strukturierter Alltag kann Kindern mit PDA-Sicherheit geben und das Gefühl von Kontrolle vermitteln. Eine offene Kommunikation ist essenziell, um die Bedürfnisse und Ängste des Kindes zu verstehen.
Zu den möglichen Therapieansätzen gehören Verhaltenstherapie, bei der positive Verstärkung, Token-Systeme und Sozialgeschichten eingesetzt werden, um Verhaltensweisen zu fördern und soziale Situationen besser zu verstehen.
Kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, negative Gedankenmuster zu verändern, während sensorische Integration die Verarbeitung sensorischer Reize verbessern kann.
Soziale Kompetenztrainings und Elternberatung können ebenfalls wertvolle Unterstützung bieten. In einigen Fällen können auch Medikamente oder komplementäre Therapien wie Ergotherapie, Physiotherapie oder Musiktherapie hilfreich sein. Eine enge Zusammenarbeit mit der Schule ist notwendig, um einen inklusiven Unterricht zu ermöglichen.
Fazit
Die Therapie bei PDA erfordert viel Geduld und Flexibilität. Da jeder Mensch mit PDA einzigartig ist, müssen Therapiepläne regelmäßig überprüft und angepasst werden, um den individuellen Fortschritt des Kindes zu berücksichtigen.
Eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten ist der Schlüssel zum Erfolg. Ein erfahrener Therapeut kann helfen, den für das jeweilige Kind am besten geeigneten Therapieplan zu entwickeln.
Quellen:
- www.fritzundfraenzi.ch/blog/autismus-wenn-jedes-muss-zur-zerreissprobe-wird/
- www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/die-kunst-des-miserablen-lebens-umgehen-sie-jede-schwierigkeit/ar-BB1qm7kv)
- https://pda-autismus-verein.org/pda-checkliste-kinder/
- https://pda-anders-autistisch.info/faq
- https://reference.medscape.com/medline/abstract/36892327