Hörigkeit bei Frauen in toxischen Partnerschaften ist ein komplexes und vielschichtiges Problem, das verheerende Folgen für die Betroffenen hat. Frauen, die Opfer von Misshandlungen, Gewalt, Vergewaltigungen und Demütigungen werden, die sowohl körperlich als auch seelisch entwürdigt und finanziell ausgebeutet werden, verbleiben dennoch oft in solchen Beziehungen.

Was sind aber die Ursachen und Hintergründe dieses Phänomens, was ist die Dynamik zwischen Opfern und Tätern, und welche möglichen sozio-psychischen und individualpsychologischen Dispositionen lassen sich jeweils feststellen?
Ursachen und Hintergründe
Ein zentrales Element, das Frauen in toxischen Beziehungen hält, ist ihr psychischer Zustand. Ein geringes Selbstwertgefühl, das oft bereits vor der Beziehung vorhanden ist, wird durch den Täter systematisch weiter untergraben. Viele Frauen glauben, keine bessere Behandlung zu verdienen oder nicht in der Lage zu sein, die Beziehung zu verlassen. Emotionale und finanzielle Abhängigkeit verstärken diesen Zustand.
Angst spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Die Furcht vor den Konsequenzen einer Trennung, wie weitere Gewalt, Stalking oder finanzielle Not, hält viele Betroffene in der Beziehung gefangen. Hinzu kommen Schuldgefühle, die durch Manipulation des Täters geschürt werden. Viele Opfer werden in dem Glauben gehalten, selbst für die Probleme in der Partnerschaft verantwortlich zu sein. Hoffnung ist ein weiterer Mechanismus, der Frauen in toxischen Beziehungen bindet. Die Hoffnung, dass sich der Täter ändert, oder dass die Beziehung wieder so wird, wie sie zu Beginn war, lässt sie ausharren.
Auch sozio-kulturelle Faktoren spielen eine wesentliche Rolle. Traditionelle Geschlechterrollen, die Frauen als unterwürfig und Männer als dominant darstellen, tragen zur Aufrechterhaltung toxischer Beziehungen bei. Zudem isolieren viele Täter ihre Opfer gezielt von Freunden und Familie, wodurch diese immer abhängiger werden und weniger Rückhalt erfahren. Mangelnde Unterstützung durch Familie, Freunde oder Institutionen erschwert es den Betroffenen zusätzlich, aus der Beziehung auszubrechen.
Ein fiktives Beispiel
Anna, eine junge und sensible Frau, lernt auf einer Party den charmanten und selbstbewussten Max kennen. Er umwirbt sie aufmerksam und gibt ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Da Anna unter einem geringen Selbstwertgefühl leidet, ist sie für seine Aufmerksamkeit besonders empfänglich. Nach einiger Zeit zeigt Max jedoch sein wahres Gesicht. Er beginnt, Anna zu kontrollieren, isoliert sie von ihren Freunden und ihrer Familie und setzt sie psychisch unter Druck. Er macht sie für alles verantwortlich, kritisiert ihr Aussehen und ihre Fähigkeiten und droht ihr mit Gewalt, falls sie ihn verlässt. Anna entwickelt eine starke Abhängigkeit von ihm. Trotz der Misshandlungen glaubt sie, ihn zu lieben, und hofft auf eine positive Veränderung. Doch mit der Zeit verliert sie immer mehr ihr Selbstwertgefühl und ihre Lebensfreude. Die Situation eskaliert, als Max sie vergewaltigt. Anna ist am Boden zerstört und fühlt sich hilflos, doch ihre Angst vor seiner Rache und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft halten sie in der Beziehung gefangen.

Opfer- und Täterrollen
Die Opfer solcher Beziehungen weisen oft spezifische psychische Merkmale auf. Sie haben in der Regel ein geringes Selbstwertgefühl und entwickeln eine emotionale sowie finanzielle Abhängigkeit vom Täter. Angst vor den Konsequenzen einer Trennung, Schuldgefühle und Hoffnung auf eine positive Wendung halten sie in der Beziehung gefangen. Die Täter hingegen zeichnen sich durch ein starkes Kontrollbedürfnis aus. Viele haben narzisstische Züge und ein übersteigertes Selbstbewusstsein, gepaart mit Empathielosigkeit. Aggression und Gewaltbereitschaft sind häufige Eigenschaften, ebenso wie Manipulationsgeschick. Sie setzen emotionale Erpressung gezielt ein, um ihre Opfer an sich zu binden, und zeigen selten Reue für ihre Taten.
Sozio-psychische und individualpsychologische Dispositionen
Frauen mit geringem Selbstwertgefühl, ausgeprägter Abhängigkeitsneigung und einem starken Harmoniebedürfnis sind besonders anfällig für toxische Beziehungen. Traumatische Erfahrungen in der Vergangenheit können die Anfälligkeit zusätzlich erhöhen. Männer, die toxische Partner sind, zeigen häufig narzisstische Persönlichkeitsmerkmale, ein ausgeprägtes Kontrollbedürfnis und Aggressionsbereitschaft. Mangelnde Empathie führt dazu, dass sie das Leid ihrer Partnerinnen nicht wahrnehmen oder ignorieren. Oft haben sie in ihrer eigenen Kindheit oder Jugend Gewalt erlebt, was ihr Verhalten beeinflusst, jedoch nicht entschuldigt.
Täter als Opfer?
Die Hypothese, dass Täter ursprünglich selbst Opfer waren und aufgrund eigener traumatischer Erfahrungen zu Tätern wurden, ist komplex und umstritten. Es gibt Fälle, in denen Männer aufgrund von Missbrauch oder Gewalt in ihrer Vergangenheit selbst zu gewalttätigen Partnern werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ihre Taten entschuldbar sind. Jeder Mensch ist für sein eigenes Handeln verantwortlich. Der Schutz der Opfer hat oberste Priorität, und den Tätern muss ihre Verantwortung bewusst gemacht werden.
Auswege und Hilfe
Frauen, die in toxischen Beziehungen gefangen sind, sollten sich nicht scheuen, Hilfe zu suchen. Es gibt zahlreiche Beratungsstellen und Hilfsangebote, die Betroffenen zur Seite stehen. Ein Ausstieg aus der toxischen Beziehung ist oft schwierig, aber es ist möglich, ein neues Leben in Freiheit, Selbstbestimmung und auf Augenhöhe mit dem Partner zu beginnen. Professionelle Hilfe, soziale Unterstützung und der Aufbau eines stabilen Selbstwertgefühls sind entscheidende Faktoren, um den Kreislauf der Hörigkeit zu durchbrechen.

Um sich zu befreien, sollten Frauen zunächst ihr Umfeld einbeziehen, sei es durch das Vertrauen in Freunde und Familie oder durch den Kontakt zu spezialisierten Beratungsstellen. Das Erkennen der eigenen Lage und das Bewusstmachen der Mechanismen, die sie in der Beziehung halten, sind zentrale Schritte. Das Erstellen eines konkreten Fluchtplans, inklusive sicherer Anlaufstellen und finanzieller Absicherung, kann den Absprung erleichtern. Therapeutische Unterstützung hilft, Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit wieder aufzubauen. Zudem kann die Teilnahme an Selbsthilfegruppen Betroffenen Mut und Rückhalt geben. Letztlich ist es entscheidend, dass Frauen sich bewusst machen, dass sie ein Leben in Würde und Freiheit verdienen.
Fazit
Hörigkeit bei Frauen in toxischen Partnerschaften ist ein ernstes Problem mit vielfältigen Ursachen und Hintergründen. Die Dynamik zwischen Opfern und Tätern zu verstehen, ist essenziell, um betroffenen Frauen besser helfen zu können. Es ist von großer Bedeutung, dass die Gesellschaft erkennt, dass toxische Beziehungen nicht die Norm sein dürfen und dass Frauen ein Recht auf ein Leben ohne Gewalt und Unterdrückung haben.
Inspiration: „Sehr ängstlich und voller Scham“, in: Main-Spitze vom 31.01.2025. S 10. Bilder: KI-generiert, ChatGPT + Gemini
Hilfestellung: Beratung für Frauen, die Opfer von Gewalt, Vergewaltigung, versuchter Vergewaltigung oder sexueller Nötigung wurden oder sexuelle Belästigung erlebt haben oder eine länger zurückliegende Grenzverletzung nicht verarbeiten können. Die Beratung ist grundsätzlich kostenlos und vertraulich! Telefon: 06152 8000–0 E-Mail: infofrauennotrufe-hessen.de