Der Sinn des Lebens ist kein Keks, den man auspackt und draufsteht: Glückwunsch, du hast’s gefunden! Sondern eher wie ein stiller Hund, der sich irgendwann neben dich setzt – wenn du lange genug durchfragst:
Wofür stehe ich? Wohin gehe ich? Und – ganz gefährlich – mit wem?!
Ein kleiner, großer Text über Sinn, Unsinn und das, was bleibt, wenn keiner mehr postet. Lies, wenn du dich traust. Oder wenn du gerade Kaffee trinkst und so tust, als wärst du beschäftigt.
Wenn wir vom Sinn des Lebens sprechen, dann meinen wir nicht ein philosophisches Konstrukt oder ein abstraktes Gedankenspiel. Wir sprechen über eine innere Erfahrung – etwas, das aufleuchtet in besonderen Momenten. Im Glück vielleicht, wenn wir unverhofft still werden vor Dankbarkeit. Oder im Leid, wenn uns plötzlich alles aus der Hand gleitet und wir doch spüren: Da ist noch etwas. Etwas, das trägt. Der Sinn lässt sich nicht besitzen wie ein Gegenstand und auch nicht kaufen wie ein schönes Möbelstück. Aber er ist erfahrbar. In jedem Menschen lebt diese Möglichkeit – still, vielleicht zaghaft, aber lebendig.
Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie, hat gesagt: „Der Mensch ist nicht frei von Bedingungen – aber er ist frei, sich zu ihnen zu verhalten.“ Das ist eine der stärksten Botschaften, die uns ein Mensch aus einem Konzentrationslager übermitteln konnte. Unsere Freiheit liegt nicht darin, was uns geschieht, sondern wie wir darauf antworten. Und diese Antwort beginnt mit drei einfachen, aber tief bewegenden Fragen: Wer bin ich? Wohin gehe ich? Mit wem gehe ich?
Diese drei Fragen sind kein Test und kein philosophisches Quiz. Sie sind wie Tore, die sich öffnen, wenn wir bereit sind, uns selbst zu begegnen.
Wer bin ich?
Diese Frage klingt vertraut. Fast ein bisschen abgenutzt. Aber wenn wir ehrlich sind – was sagen wir denn, wenn wir sie beantworten sollen? „Ich bin Lehrer, Mutter, Musiker, Rentnerin, Coach…“ Das sind unsere Rollen, und sie sind wichtig. Aber sie sagen nicht, wer wir sind, wenn alles Äußere wegfällt. Wenn niemand zuschaut. Wer bleibt übrig, wenn du nichts mehr „leisten“ musst?

Frankl ging davon aus, dass jeder Mensch eine einzigartige, unverwechselbare Person ist. Niemand kann deinen Platz einnehmen. Niemand kann für dich leben – und auch nicht für dich sterben. Diese Würde ist nicht arrogant, sie ist still. Sie sagt: Ich bin. Ich bin mehr als meine Geschichte, mehr als meine Fehler, mehr als mein Erfolg.
Vielleicht möchtest du einmal still für dich zehn Dinge aufschreiben, die dir wirklich wichtig sind im Leben. Und dann, mit einem ehrlichen Blick, unterteilen: Was davon kann man dir nehmen – und was bleibt dir, selbst wenn alles Äußere verloren geht? Diese einfache Unterscheidung zeigt oft mehr als viele Gespräche. Was bleibt, ist vielleicht dein Mitgefühl, dein Humor, deine Zuverlässigkeit, dein Mut. Manchmal entdecken wir da etwas, das schon lange da war – aber das wir im Trubel des Alltags übersehen haben.
Manchmal hilft auch der Blick auf deine prägenden Erfahrungen. Welche drei Ereignisse in deinem Leben haben dich tief verändert? Was hast du daraus gelernt – und was hat sich in dir gewandelt? Vielleicht war es ein Scheitern. Vielleicht ein Verlust. Vielleicht ein geglückter Aufbruch. Und was sagt dir das über dich?
Ein anderer Zugang: Erinnerst du dich an eine Situation, in der du dich ganz „richtig“ gefühlt hast – in der du wusstest: Jetzt bin ich bei mir? Wo warst du? Was hast du getan? Wer war bei dir – oder gerade nicht? Solche Momente sind wie kleine Fenster zur Seele.
Auch deine Fähigkeiten können etwas über dein Wesen verraten. Was fällt dir leicht? Was machst du gerne – auch ohne Applaus? Vielleicht ist es Zuhören. Oder etwas mit den Händen gestalten. Vielleicht organisierst du gerne, vielleicht bringst du Menschen zum Lachen. Das sind keine Nebensächlichkeiten – das sind Spuren deines inneren Profils.
Und dann, stell dir vor, du wärst ein Puzzleteil in einem großen Bild. Welche Form hättest du? Welche Lücke würdest nur du füllen können? Das klingt spielerisch – aber die Antworten sind oft erstaunlich ernst.
Manchmal hilft auch der Blick auf das, was uns Angst macht. Welche drei Ängste begleiten dich, wenn du an dich selbst oder deine Zukunft denkst? Wovor weicht dein Herz zurück? Und was will dich vielleicht gerade dadurch auf einen inneren Auftrag aufmerksam machen?
Und schließlich: Stell dir vor, alles Äußere fällt weg – dein Besitz, dein Beruf, deine äußere Kraft. Was bleibt dann übrig? Wer bist du jenseits der Umstände?
Wohin gehe ich?
Diese Frage führt uns in die Zukunft – aber nicht auf die Art von Jahreszielen und Fünfjahresplänen. Sondern tiefer. Denn Frankl betonte, dass der Mensch auf etwas hin lebt. Der Sinn liegt nicht hinter uns wie eine Bilanz – er zieht uns wie ein leiser Ruf nach vorn. Und dieser Ruf ist individuell. Er kann sich in einem beruflichen Neuanfang zeigen. In einer Versöhnung, die längst überfällig ist. In einer Entscheidung, die dich Mut kostet – aber innerlich aufatmen lässt.

Vielleicht möchtest du dir einmal vorstellen: Was wartet in deinem Leben eigentlich auf dich? Nicht im Sinn von „Was muss ich noch erledigen?“, sondern: Was möchte durch mich verwirklicht werden? In welchen Situationen spüre ich: Da will etwas ans Licht? Vielleicht ist es ein Schritt, den du immer wieder aufschiebst. Oder ein Weg, den du aus Angst vor dem Unbekannten meidest.
Der Sinn zeigt sich selten im Voraus. Manchmal erst im Rückblick verstehen wir, warum wir durch dunkle Täler gehen mussten. Vielleicht möchtest du dich an eine schwierige Entscheidung erinnern, die sich später als richtig herausgestellt hat. Welche Haltung hat dich getragen?
Manche Menschen haben sehr klare Ziele – andere haben nur eine leise Ahnung. Beides ist gut. Es geht nicht darum, alles zu wissen. Aber es hilft, sich auf den Weg zu machen. Ein erster Schritt kann sein: Stell dir dein Leben in fünf Jahren vor. Was wünschst du dir nicht nur äußerlich – sondern innerlich? Welche Qualität möchtest du leben? Welche Spuren möchtest du hinterlassen?
Und denke auch an die Momente, in denen das Leben sinnlos schien. Wann war das bei dir der Fall? Was hat damals gefehlt – und was hat dich schließlich wieder in Bewegung gebracht? Der Sinn muss nicht groß sein. Manchmal ist er ein kleiner Lichtpunkt, ein Gespräch, ein Satz, der dich nicht mehr loslässt.
Und ganz zentral: Was bedeutet es für dich, würdevoll zu leben? Wann hast du das Gefühl, deine Würde zu wahren – und wann verlierst du dich selbst aus den Augen?
Mit wem gehe ich?
Diese letzte Frage führt uns zu den Beziehungen – zu dem, was uns als Menschen vielleicht am tiefsten prägt. Niemand geht allein durchs Leben. Selbst wer sich unabhängig fühlt, ist doch verstrickt in ein Netz von Begegnungen, Erinnerungen, Prägungen. Frankl sagte, dass der Mensch nicht nur in sich ruht, sondern sich über sich hinaus verwirklicht – in einem Gegenüber, in einer Aufgabe, in der Liebe.

Mit wem gehe ich? Das ist nicht nur die Frage nach der Familie oder den aktuellen Freundschaften. Es ist auch die Frage: Wer sieht mich wirklich? Wer inspiriert mich? Wer fordert mich heraus, ehrlich zu bleiben – mir selbst gegenüber? Und: Für wen bin ich so ein Mensch?
Wir alle brauchen Menschen, vor denen wir nichts darstellen müssen. Vor denen wir einfach da sein dürfen – mit unserer Freude, mit unserer Schwäche, mit unserem Humor. Vielleicht magst du dich fragen: In welchen Beziehungen fühle ich mich lebendig? Und in welchen leer oder fremd? Welche Begegnung hat dich zuletzt wirklich berührt?
Und nicht zuletzt: Welche Beziehung zu dir selbst pflegst du? Bist du dir manchmal ein guter Begleiter – oder eher ein innerer Antreiber? Auch das ist Beziehung. Und vielleicht die wichtigste.
Die Einladung zur Antwort
Diese drei Fragen – Wer bin ich? Wohin gehe ich? Mit wem gehe ich? – sind wie offene Räume. Sie haben keine endgültigen Antworten. Und das ist gut so. Sie fordern uns nicht zum schnellen Fazit auf, sondern laden uns ein, tiefer zu hören. Und heute kann eine Antwort ganz anders ausfallen als morgen. Wir verändern uns. Wir werden älter, weicher, klarer – oder auch mal verwirrter. Auch das gehört dazu.
Im Sinne Viktor Frankls ist der Mensch nicht das, was ihm passiert – sondern das, was er daraus macht. Und vielleicht liegt genau darin der Trost, den wir in schweren Zeiten brauchen: Dass wir nicht alles kontrollieren müssen, um sinnerfüllt zu leben. Aber dass wir eingeladen sind, zu antworten – auf das, was das Leben uns fragt. Nicht mit großen Gesten. Sondern mit kleinen, echten Entscheidungen. Mit einem offenen Herzen. Mit einer Haltung, die sagt: Ich bin bereit.
Bereit, das Leben ernst zu nehmen – und gleichzeitig mit einem leisen Lächeln zu sagen: Ich weiß nicht alles, aber ich gehe. Schritt für Schritt. Nicht allein. Und nicht umsonst.
Mit wem gehe ich?
Wenn wir uns der Frage nähern, mit wem wir durchs Leben gehen, sprechen wir über mehr als nur über Freundeskreise, Partnerschaften oder Kolleg:innen. Diese Frage zielt auf etwas Tieferes: auf unsere Zugehörigkeit, auf das, was uns menschlich verbindet – oder auch entfremdet. Beziehungen sind keine Dekoration unseres Daseins, sie sind Teil seiner Substanz. Niemand von uns kann sich in sich selbst vollenden. Frankl sprach davon, dass der Mensch im Du zu sich selbst findet – indem er sich in Liebe, in Hingabe, in Begegnung überschreitet.
Und doch ist das gar nicht so einfach. Denn wir sind nicht nur Wesen der Beziehung, wir sind auch verletzlich. Viele von uns tragen Erfahrungen mit sich, in denen Vertrauen enttäuscht oder Nähe missverstanden wurde. Umso wertvoller wird das echte Gegenüber: der Mensch, der uns nicht misst an dem, was wir leisten, sondern der uns sieht – so, wie wir wirklich sind. Vielleicht kennst du einen solchen Moment: Du warst mit jemandem zusammen und hast dich gleichzeitig bei dir selbst gefühlt. Nicht beurteilt, nicht gedrängt, nicht zurechtgerückt – einfach nur angenommen. Was hat diese Begegnung in dir bewirkt? Und wie oft erlaubst du dir selbst, so offen in Beziehung zu treten?
Ein kleiner gedanklicher Spaziergang kann helfen: Stell dir vor, du gehst einen Weg – nicht schnell, nicht zielgerichtet, sondern aufmerksam. Wer darf dich auf diesem Weg begleiten? Und wen möchtest du selbst begleiten? Gibt es Menschen, die dich in deiner Tiefe stärken – nicht durch Ratschläge, sondern durch ihr Dasein? Und gibt es vielleicht auch Menschen, von denen du dich innerlich verabschiedet hast, ohne dass ihr euch jemals ausgesprochen habt?
Wenn du einmal in dich hineinhorchst: Welche Begegnungen haben dich geprägt? Gab es ein Gespräch, nach dem du die Welt anders gesehen hast? Oder einen Menschen, der etwas in dir gesehen hat, bevor du es selbst erkennen konntest? Diese Spuren sind nicht zufällig. Sie gehören zu dir. Und manchmal lohnt es sich, ihnen nachzugehen, wie man einer Lichtspur folgt, die durch einen Wald aus Alltäglichkeiten bricht.
Manche Beziehungen fordern uns heraus, weil sie uns mit unseren Schatten konfrontieren. Vielleicht kennst du solche Situationen: Jemand bringt dich aus dem Gleichgewicht – nicht weil er böse ist, sondern weil er etwas in dir berührt, das du lange nicht angeschaut hast. Und dann gibt es diese anderen Beziehungen – die stillen, tragenden. Ein Blick, ein stilles Verstehen, eine Hand, die nicht fragt, warum du gerade so still bist. In solchen Momenten öffnet sich ein Raum, in dem etwas wachsen kann, das wir mit dem Wort „Sinn“ kaum je ganz beschreiben können – das aber genau diesen Geschmack hat.
Vielleicht magst du dir auch eine kleine Übung gönnen, wenn du heute Abend allein bist: Denke an drei Menschen, mit denen du dich verbunden fühlst. Nicht nur durch Alltag oder Geschichte, sondern durch etwas Tieferes. Was schätzt du an ihnen? Was geben sie dir – und was gibst du ihnen? Und dann, in einem zweiten Schritt, frage dich: Gibt es jemanden, dem du vielleicht etwas zu sagen hast – ein Dank, ein Bedauern, ein ehrliches Wort, das noch in der Luft hängt?
Solche inneren Bewegungen sind keine Pflichtübungen. Sie sind Einladungen, wieder in Resonanz zu treten mit dem, was zwischen uns liegt. Denn das Leben fragt uns nicht nur: Wer bist du? oder: Wohin gehst du? Es fragt uns auch – immer wieder: Mit wem möchtest du diesen Weg gehen?
Und dann kommt vielleicht, ganz leise, eine Ahnung: Dass wir – trotz aller Einsamkeit, trotz aller Brüche – nicht allein sind. Dass es etwas gibt, das uns verbindet, wenn wir bereit sind, uns einander zu zeigen. In unserer Unvollkommenheit, in unserer Sehnsucht, in unserer Fähigkeit zu lieben.
Der Sinn ist nicht laut
So stehen wir am Ende dieser Reise durch drei Fragen, die den Sinn berühren – aber eigentlich stehen wir eher an einem Anfang. Denn diese Fragen lassen sich nicht abschließend beantworten. Sie sind wie Brunnen, aus denen man immer wieder schöpfen kann. Manchmal mit Leichtigkeit, manchmal mit Mühe. Aber immer mit der Hoffnung, dass etwas in uns antwortet – nicht in fertigen Sätzen, sondern in einem Gefühl von Stimmigkeit.
Vielleicht, so könnte man es sich vorstellen, ist der Sinn des Lebens nichts, das man besitzt. Sondern etwas, das sich ereignet, wenn wir ehrlich mit uns selbst sind. Wenn wir bereit sind, dem Leben zu begegnen – mit offenen Händen, mit wachem Herzen, und mit dem Mut, auch unbequeme Fragen zu stellen.
Und wenn du irgendwann das Gefühl hast, du hättest den Faden verloren – dann erinnere dich einfach daran, dass Sinn nicht laut ist. Er schreit nicht. Er flüstert. Und manchmal klingt er wie ein leises: „Ja, genau so.“
Mini-Abschlusszusammenfassung
Wofür stehe ich? Wohin gehe ich? Mit wem gehe ich?
Drei Fragen. Kein Rezept. Aber vielleicht ein Kompass.
Sinn entsteht nicht durch Antworten – sondern dadurch, dass wir weiterfragen.
- Inspiration: Buchvorstellung. Dr. Peter A. Schult: Lunchpaket für die Seele. Mainspitz Verlag 2025, S. 22 ff.
- Quelle: Bild 1 + 3: www.freepik.com
- Bild 2: https://www.aktion-mensch.de/leichte-sprache/was-ist-inklusion