von Jake Remaly, 26. November 2024

Mit dem Winter kommt nicht nur die Kälte – für viele Menschen bringt diese Jahreszeit auch eine spürbare Belastung für die Psyche mit sich. Die sogenannte saisonale affektive Störung (SAD) ist ein bekanntes, wenn auch offiziell nicht anerkanntes Phänomen.

Mit dem Winter kommt nicht nur die Kälte
Mit dem Winter kommt nicht nur die Kälte

Der Begriff stammt aus den 1980er-Jahren und beschreibt Depressionen, die typischerweise im Herbst oder Winter beginnen und im Frühling oder Sommer wieder abklingen. Doch was steckt wirklich hinter SAD, und wie wird es behandelt?

Ein Subtyp der Depression

SAD wird in den großen psychiatrischen Diagnosehandbüchern nicht explizit aufgeführt. Im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) gilt sie jedoch als eine Form der Major Depression mit dem Zusatz „saisonales Muster“. Betroffene erleben wiederkehrende depressive Episoden, die über mindestens zwei Jahre einem klaren jahreszeitlichen Rhythmus folgen. Meist beginnen die Symptome im Herbst, verstärken sich im Winter und klingen im Frühjahr ab.

Interessanterweise ist SAD bei Frauen häufiger als bei Männern und tritt in Ländern weiter entfernt vom Äquator häufiger auf. Stressfaktoren wie saisonale Arbeitslosigkeit oder die Belastungen rund um die Feiertage können das Bild verschärfen – in solchen Fällen raten Experten jedoch von der Diagnose SAD ab, da diese anderen Ursachen zugeschrieben werden sollten.

Typische Symptome der Winterdepression

Laut DSM-5 zeigen sich bei Winterdepressionen charakteristische Symptome wie:

  • anhaltende Müdigkeit
  • vermehrtes Schlafbedürfnis (Hypersomnie)
  • gesteigertes Verlangen nach Kohlenhydraten
  • übermäßiges Essen
  • Gewichtszunahme

Kelly Rohan, Expertin für SAD von der University of Vermont, betont, dass Müdigkeit fast immer eines der Hauptsymptome ist: „Ich habe noch niemanden getroffen, der die Diagnose SAD erfüllt, ohne über extreme Erschöpfung zu klagen.“

Ein lange andauernder Zustand

Eine durchschnittliche Episode von Winterdepression kann bis zu fünf Monate anhalten – eine enorme Belastung für Betroffene. Auch wenn die Kriterien für eine Major Depression nicht erfüllt sind, können jahreszeitliche Veränderungen die Stimmung und das Energieniveau beeinflussen. In solchen Fällen sprechen Expert:innen von „subsyndromaler SAD“, die dennoch gut behandelbar ist.

Behandlungsansätze: Von Licht bis Verhaltenstherapie

Lichttherapie gehört zu den bekanntesten und effektivsten Behandlungsansätzen bei SAD. Schon in den frühen 1980er-Jahren stellten Forschungen fest, dass künstliches helles Licht depressive Symptome lindern kann. Studien zeigen, dass eine tägliche Bestrahlung von 30 Minuten mit 10.000 Lux – am besten morgens – bei vielen Betroffenen innerhalb weniger Wochen wirkt.

Neben der Lichttherapie können kognitive Verhaltenstherapie (CBT) und das Medikament Bupropion XL helfen. CBT hat sich besonders langfristig bewährt, da sie den Betroffenen Strategien vermittelt, um Rückfälle zu vermeiden.

Behandlungsansätze: Von Licht bis Verhaltenstherapie
Behandlungsansätze: Von Licht bis Verhaltenstherapie

Neue Erkenntnisse durch Forschung

Forscher:innen wie Kelly Rohan arbeiten daran, SAD besser zu verstehen. In aktuellen Studien untersuchen sie, wie innere Uhren mit dem Tagesrhythmus harmonieren und wie die Pupillen auf Licht reagieren. Auch die Verarbeitung von Wörtern wie „Schneesturm“ oder „Sonnenschein“ wird analysiert, um emotionale Muster bei SAD zu erkennen.

Selbstdiagnose mit Vorsicht genießen

Auch wenn Lichttherapiegeräte frei erhältlich sind, warnen Expert:innen vor unbegleiteten Selbstbehandlungen. „Lichttherapie kann Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit haben“, erklärt Rohan. Ein Gespräch mit Hausärzt:innen oder Psychotherapeut:innen ist daher ein sinnvoller erster Schritt.

Ein breiter Blick auf die Ursachen

Manchmal steckt hinter den winterlichen Stimmungstiefs mehr als nur ein Lichtmangel. Stress, Feiertagsdruck oder ein höherer Alkoholkonsum in der dunklen Jahreszeit können ebenfalls eine Rolle spielen. „Kliniker:innen sollten bei der Diagnose immer den gesamten Kontext betrachten“, rät Scott Patten von der University of Calgary.

Mit etwas Wissen und der richtigen Unterstützung können Betroffene die Herausforderungen des Winters besser meistern – und vielleicht sogar den Frühling ein Stück früher spüren.

  • Quelle: Winter Depression: How to Make the ‘SAD’ Diagnosis – Medscape – November 26, 2024.
  • Bilder: KI-gneriert. ChatGPT