Ja, Glückwunsch.
Ihr habt’s geschafft.
Abitur. Ausbildung. Abschluss, was auch immer.
Feiert ruhig. Macht Selfies. Lasst euch feiern.
Denn das hier könnte der letzte Moment sein, in dem euch noch applaudiert wird – ganz ohne dass ihr wirklich Verantwortung tragt.

Ab jetzt wird nicht mehr benotet, sondern bewertet.
Nicht von Lehrern – sondern vom Leben.
Und das ist nicht nett.
Das Leben gibt dir keine zweite Chance, wenn du den ersten Job verkackst.
Es wartet nicht, wenn du nicht aus dem Quark kommst.
Es hat keine Geduld mit Leuten, die lieber fühlen als handeln.
Und die Rechnungen, die jetzt kommen, zahlst du selbst – mit Zeit, mit Kraft, mit deinem verdammten Einsatz.

Man hat euch viel abgenommen.
Man wollte euch schützen.
Vor Druck, vor Stress, vor Überforderung.
Man hat euch auf Watte gepackt.
Und damit haben wir euch ein falsches Bild vom Leben geliefert.
Sorry, aber das war ein Fehler. Ein echter Fehler.
Nicht eurer. Aber jetzt ist er eurer. Jetzt seid ihr dran.

Man hat euch eingeredet, dass es reicht, ihr selbst zu sein.
Dass ihr nichts leisten müsst, um wertvoll zu sein.
Aber das System da draußen denkt anders.
Da zählt, was du tust. Nicht, wie du dich fühlst.
Da zählt Leistung. Verantwortung. Standhalten.
Nicht Retreat. Nicht Selbstfindung. Nicht „Ich kann heute nicht“.

Ihr kommt aus einer Welt voller Safe Spaces.
Aber da draußen gibt’s keine Triggerwarnungen.
Nur Deadlines.
Keine Therapiesitzungen – nur Kündigungen.
Keine Likes – nur Ergebnisse.
Kein „Ich bin überfordert“ – nur: „Nächster bitte.“

Ihr wollt Freiheit.
Aber ohne Disziplin ist Freiheit nur Faulheit.
Ihr wollt Work-Life-Balance.
Aber ohne Work gibt’s kein Life.
Ihr wollt, dass man euch ernst nimmt.
Dann hört auf, euch selbst wie Kinder zu behandeln.

Eure Erzieher, Lehrer, Eltern – sie wollten euch empowern.
Und haben euch entmündigt.
Sie haben euch eingeredet, dass das System euch formen muss –
statt euch zu sagen: Formt euch selbst.
Sie haben euch erklärt, dass alle Strukturen euch einengen –
statt euch beizubringen, wie man sich in ihnen bewegt, sie verändert, sie sprengt.

Jetzt habt ihr zwei Wege.

Weg eins: Ihr bleibt im Modus „Ich will, dass man mich versteht“ –
und werdet von einem System gefressen, das keine Rücksicht nimmt.

Weg zwei: Ihr übernehmt Verantwortung – radikal, kompromisslos, jetzt.
Ihr hört auf zu warten, dass jemand euch motiviert.
Ihr motiviert euch selbst.
Ihr geht raus und nehmt euch das Leben – mit Biss, mit Mut, mit Haltung.

Denn wenn ihr euch nicht selbst steuert –
dann steuert euch jemand anderes.
Und dann war das hier nicht euer Anfang –
sondern euer Ende mit Ansage.

  • Inspiration: Gespräche mit 2 Insassen der JVA Butzbach
  • Quelle: Es wird gut. Die ZEIT v. 26.6.2025
  • Redaktionelle Überarbeitung: KI-gestützt. ChatGPT