Alle sprechen von Resilienz und verstehen einfach ‚Widerstandskraft‘ darunter. Resilienz ist aber mehr als das. Echte Resilienz vereint in sich Empathie, Toleranz, Widerstandskraft und Durchhaltevermögen. Und vielleicht sogar Liebe, wie im folgenden Beispiel gezeigt wird.

Markus und Lara leben in einer kleinen Altbauwohnung im Herzen der Stadt. Er leitet Projekte, sie gestaltet visuelle Konzepte – gemeinsam jonglieren sie mit Termindruck, Deadlines und dem Wunsch nach Nähe. Morgens planen sie bei Kaffee den Tag, abends wechseln sich liebevolle Fürsorge und Laras scharfe Kritik ab. Diese stetige Spannung bildet den Nährboden für ihre gemeinsame Resilienz und spiegelt die Dynamik zweier psychologischer Welten wider.

Optimist trifft Pessimistin
Optimist trifft Pessimistin

1. Ausgangslage: Optimist trifft Pessimistin

Markus’ optimistische Grundhaltung entspringt seinem ausgeprägten Gemeinschaftsgefühl. Nach Adler ist sein Lebensstil von drei Lebensaufgaben geprägt – Arbeit, Freundschaft und Liebe –, die er als Sinnquellen nutzt, um Minderwertigkeitsgefühle zu überwinden und sozial beizutragen. Lara hingegen schützt sich mit Pessimismus vor neuer Enttäuschung. Adler würde ihr widersprüchliches Verhalten als kompensatorischen Schutz für unbewusste Minderwertigkeitsgefühle deuten, die aus frühen Erfahrungen resultieren.

Frankl würde Laras Pessimismus als Zeichen einer noögenen Frustration sehen – die existentielle Leere, wenn der Sinn fehlt. Ihre Kritik maskiert den unbewussten Glauben: „Mein Leben ist bedeutungslos.“ Markus wiederum praktiziert tragischen Optimismus: Er sucht nicht nur nach positiven Gefühlen, sondern nach einer persön­lichen Sinnstruktur, die auch in widrigen Situationen hält. Frankl betont, dass Sinnsuche die primäre Motivationskraft des Menschen ist – weit vor dem Streben nach Macht oder Lust.

2. Wiederholung als Liebesritual und Förderung des Gemeinschaftsgefühls

Die Therapeutin schlägt ein Adler’sches „Übungsfeld“ vor: Ein tägliches Ritual, bei dem Markus und Lara die Hände auf ein ausgewähltes Symbol legen und gemeinsam ein Lebensmotto sprechen. Adler nennt dies Ermutigung: Statt Lob setzt man auf Entwicklung des Gemeinschaftsgefühls. Dieses Ritual verstärkt Markus‘ Bedürfnis nach sozialem Nutzen und hilft Lara, ihre Minderwertigkeitsgefühle in einem unterstützenden Rahmen zu erleben.

Frankl beschreibt solche Rituale als Chancen zur Sinngebung im Alltäglichen. Im logotherapeutischen Sinne wird das Motto zum Existenz-Statement: Wer in alltägliche Handlungen Sinn hineinprojiziert, bewahrt seine geistige Freiheit. Durch bewusste Wiederholung transformieren Markus und Lara Gewohnheiten in sinnstiftende Haltungen – ein kraftvolles Gegenmittel gegen die Existenzvakuum, das Frankl als Quelle psychischer Not sieht.

3. Krise und Trotzmacht des Geistes im Spannungsfeld fiktiver Ziele

In hitzigen Streitmomenten weckt Laras Pessimismus alte Minderwertigkeitsfantasien in Markus. Adler empfiehlt hier das Fokussieren auf ein fiktives Endziel – den gemeinsamen Bergaufstieg. Dieses teleologische Bild verstärkt die Motivation, Konflikte partnerschaftlich zu meistern und mindert das Gefühl der Ohnmacht.

Frankl spricht in solchen Situationen von der „Trotzmacht des Geistes“: Die Fähigkeit, auch in aussichtslos erscheinenden Lagen die innere Haltung zu wählen. Er unterscheidet drei Wege zum Sinn: kreative Leistungen, erlebte Begegnungen und die Einstellung zum unvermeidlichen Leid. Markus nutzt alle drei: Er engagiert sich kreativ für die Beziehung, wertschätzt Laras Einzigartigkeit und wählt aktiv eine bejahende Haltung zum Konflikt.

Integration im Alltag: Lebensstil und Lebensaufgaben meistern
Integration im Alltag: Lebensstil und Lebensaufgaben meistern

4. Integration im Alltag: Lebensstil und Lebensaufgaben meistern

Markus und Lara vereinbaren, jede Auseinandersetzung als gemeinsame Lebensaufgabe zu betrachten. Zehn bewusste Atemzüge mitten im Streit dienen nach Adler als Übung zu Courage und Selbstwert – zentrale Bestandteile des Gefühls. Jeder Konflikt wird so zu einem aktiven Selbstentwurf, der ihre Sozialinteressen stärkt.

Frankl betont, dass der Mensch immer die Freiheit hat, seine Einstellung zu wählen. In der Atempause üben Markus und Lara genau diese noölogische Freiheit: Sie unterbrechen impulsive Reaktionen und richten ihren Willen neu auf Sinn und Respekt aus. So verschmelzen Adlers praktische Lebensaufgaben mit Frankls Lehre von der autonomen Sinnwahl.

5. Rückschläge und kompensatorische Muster

Als Markus beruflich scheitert, reagiert Lara mit Kritik und Markus spürt alte Ängste erwachen. Nach Adler greift er zur bewussten Kompensation: Er schreibt Lara einen Brief, benennt offen seine Minderwertigkeitsgefühle und bekräftigt seine Fürsorge. Adler sieht darin einen wachsenden Selbstwert und ein gestärktes Gemeinschaftsgefühl – beides Kernziele seiner Theorie.

Frankl würde den Brief als Akt der Selbsttranszendenz und Sinngebung werten. Indem Markus sein Leid reflektiert und an Lara richtet, nutzt er Sprache als therapeutisches Werkzeug. Der Brief wird so zur noölogischen Handlung: Eine bewusste Sinnstiftung, die Schmerz in Beziehungspflege transformiert.

6. Tragische Optimistik, Gemeinschaftsgefühl und Selbstbestimmung

Sechs Monate später erkennen Markus und Lara ihre Herausforderungen als Meilensteine gemeinsamer Entwicklung. Adler definiert psychische Gesundheit über das Maß an Sozialinteresse und die erfolgreiche Bewältigung der Lebensaufgaben. Markus’ Optimismus und Laras kritischer Blick bilden hier ein dynamisches Gleichgewicht.

Frankl spricht von tragischem Optimismus, wenn Menschen das Leben bejahen, obwohl sie Schmerz und Verluste erfahren. Markus und Lara entscheiden sich täglich für ihre Beziehung, nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Konflikte. So wird ihre Liebe zur Trotzmacht des Geistes: eine existenzielle Haltung, die Leid als Quelle neuen Sinns begreift.

  • Inspiration: Diskussion um den Begriff Ko-Abhänigkeit
  • Quelle: Durchsicht archivierter Unterlagen.
  • Bilder: KI-generiert. Copilot