Worum es geht:
Dieser Text untersucht die Ablehnung von Homosexualität im Judentum und Christentum, wie sie sich aus den Schriften des Alten und Neuen Testaments ergibt. Dabei werden religiöse, gesellschaftliche und medizinische Hintergründe beleuchtet – ebenso wie moderne Sichtweisen, die homosexuelle Orientierung als Teil menschlicher Vielfalt verstehen.
Die Geschichte
Die Ablehnung gleichgeschlechtlicher Sexualität im Judentum und Christentum ist tief in der religiösen Überlieferung verankert. Besonders das Alte Testament, genauer das 3. Buch Mose, enthält eine bekannte Passage: „Wenn jemand bei einem Mann liegt wie bei einer Frau, so haben beide ein Gräuel begangen; sie sollen gewisslich des Todes sterben“ (Lev 20,13). Über Jahrhunderte wurde dieser Vers als moralisches und göttliches Verbot homosexueller Handlungen verstanden. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass dieses Verbot nicht nur religiöse, sondern auch kulturelle, gesundheitliche und gesellschaftliche Gründe hatte – und dass es heute einer neuen Bewertung unterzogen werden kann.
Religiöse Gebote als Abgrenzung von der Umwelt
Das biblische Verbot homosexueller Handlungen entstand in einem historischen Umfeld, in dem die Israeliten sich als kleines Volk mit einer besonderen Beziehung zu Gott verstanden. Sie lebten umgeben von heidnischen Völkern, deren religiöse und sexuelle Praktiken sie ablehnten. Vor allem im griechischen Kulturkreis war gleichgeschlechtliches Begehren weitgehend akzeptiert – insbesondere in päderastischen Beziehungen zwischen älteren Männern und Jünglingen. Das mosaische Gesetz setzte dagegen bewusst andere Maßstäbe: Es grenzte das Volk Israel von seinen Nachbarn ab und regelte detailliert das, was als „rein“ und „unrein“, als erlaubt und verboten galt.
Die sexuelle Moral war dabei ein zentraler Bestandteil der religiösen und kulturellen Identität. Das Verbot von Homosexualität stand nicht allein, sondern war eingebettet in ein ganzes System von Reinheitsgeboten, Speisevorschriften und Opferritualen. Es ging also nicht nur um Sexualität, sondern um die Zugehörigkeit zum Gottesvolk. Wer gegen diese Gebote verstieß, stellte sich gegen die göttliche Ordnung – mit teils drastischen Konsequenzen.
Gesundheitliche Überlegungen und Fruchtbarkeit als hohes Gut
Neben der religiösen Abgrenzung könnten auch praktische Beobachtungen zur Entstehung des Verbots beigetragen haben. In einer Zeit ohne medizinisches Wissen war Analverkehr möglicherweise mit Krankheit, Schmerzen oder Verletzungen verbunden – besonders dann, wenn er gewaltsam oder ohne hygienische Vorsorge geschah. Die Vorstellung, dass solche Praktiken „unrein“ seien, könnte auch aus solchen Erfahrungen entstanden sein.
Hinzu kam die Bedeutung der Fruchtbarkeit: In antiken Gesellschaften war die Weitergabe des Lebens zentral für das Überleben der Familie, des Stammes und des Volkes. Jede sexuelle Handlung, die nicht der Zeugung diente, galt als „unnütz“ oder gar gefährlich. Der Samen des Mannes wurde als etwas Wertvolles betrachtet, das nicht „verschwendet“ werden sollte. Die Frau wiederum wurde vor allem in ihrer Rolle als Gebärende gesehen. Homosexuelle Beziehungen fielen aus diesem Fruchtbarkeitsdenken heraus – und konnten daher leicht als „unnatürlich“ oder „gegen die Schöpfung“ interpretiert werden.

Das Neue Testament und die frühchristliche Sicht
Auch im Neuen Testament wird gleichgeschlechtliche Sexualität mehrfach erwähnt – etwa im Römerbrief des Paulus. Dort beschreibt er, dass Männer „den natürlichen Verkehr mit der Frau verließen“ und „in Begierde zueinander entbrannten“ (Röm 1,27). Für Paulus ist Homosexualität Teil einer allgemeinen sittlichen Verirrung, die mit der Ablehnung Gottes beginnt. Auch hier spielt die Vorstellung eine Rolle, dass es eine von Gott gesetzte „natürliche Ordnung“ gebe, in der Mann und Frau einander zugeordnet sind. Wer diese Ordnung verlässt, stellt sich – aus paulinischer Sicht – gegen den Schöpfer.
Die Kirchen übernahmen diese Deutung weitgehend. Über viele Jahrhunderte hinweg galt Homosexualität als schwere Sünde, als Ausdruck von Verfall, Zügellosigkeit oder sogar als Werk des Teufels. In manchen Zeiten war gleichgeschlechtlicher Sex nicht nur religiös verpönt, sondern auch staatlich verfolgt – oft mit drakonischen Strafen.
Homosexualität als Tabu – auch aus Angst und Unwissenheit
Wie viele tief verankerte gesellschaftliche Tabus speiste sich auch die Ablehnung homosexueller Praktiken aus einem Gemisch von Angst, Unwissenheit und dem Bedürfnis nach klaren Ordnungen. Was nicht ins Weltbild passte, wurde ausgegrenzt. Die Idee, dass gleichgeschlechtliches Begehren eine angeborene Veranlagung sein könnte, war in der Antike und im Mittelalter kaum vorstellbar. Man ging davon aus, dass Menschen sich „bewusst“ für solche Handlungen entscheiden – und sie daher auch unterlassen könnten. Dass homosexuelle Orientierung ein stabiler Teil der Persönlichkeit sein könnte, wurde erst in der Neuzeit diskutiert.
Moderne Neubewertung: Orientierung statt Verirrung
Erst im 19. und 20. Jahrhundert begannen Wissenschaftler – vor allem Psychologen und später auch Biologen –, Homosexualität anders zu deuten. Sie betrachteten gleichgeschlechtliches Begehren nicht länger als moralisches Fehlverhalten, sondern als psychologische oder sogar genetische Disposition. Diese Sichtweise setzte sich in vielen westlichen Gesellschaften allmählich durch. In der Folge wurden homosexuelle Handlungen entkriminalisiert, Schwulen- und Lesbenbewegungen kämpften für Gleichberechtigung, und in vielen Ländern wurde die Ehe für alle eingeführt.
Diese gesellschaftlichen Veränderungen stellten die religiösen Traditionen vor neue Herausforderungen. Während konservative Gruppen an den biblischen Verboten festhielten, begannen andere Kirchen und jüdische Gemeinschaften, ihre Lehren neu zu interpretieren. Sie fragten, ob die Texte der Antike wirklich dazu gedacht waren, moderne homosexuelle Beziehungen zu verurteilen – Beziehungen, die auf Gegenseitigkeit, Liebe und Verantwortung beruhen und keine Ausbeutung oder Tempelprostitution darstellen, wie sie in der Antike vorkam.

Zwischen Tradition und Öffnung: heutige religiöse Positionen
Heute existiert eine große Spannbreite innerhalb der Religionsgemeinschaften. Orthodoxe Juden und viele konservative Christen sehen Homosexualität weiterhin als Verstoß gegen göttliche Gebote. Liberale jüdische Bewegungen, Teile der evangelischen Kirche und einige katholische Theologen vertreten hingegen eine offenere Haltung. Sie betonen, dass biblische Gebote in ihrem historischen Kontext gelesen werden müssen – und dass die zentrale Botschaft der Bibel nicht in der Sexualmoral, sondern in der Nächstenliebe besteht.
Auch die Frage nach der Würde des Menschen spielt eine größere Rolle: Wenn jemand seine sexuelle Orientierung nicht frei wählt, sondern sie als Teil seiner Identität erlebt – kann es dann gerecht oder gottgewollt sein, ihm Liebe, Partnerschaft oder sexuelle Erfüllung zu verwehren? Viele Theologen sehen darin heute einen Widerspruch zur biblischen Grundbotschaft von Barmherzigkeit, Mitgefühl und Gerechtigkeit.
Fazit: Zwischen Verbotskultur und Anerkennung menschlicher Vielfalt
Die Ablehnung von Homosexualität in Judentum und Christentum hatte viele Gründe: religiöse Reinheitsvorstellungen, gesellschaftliche Ordnung, patriarchale Strukturen und medizinische Unkenntnis. Heute wissen wir mehr – über Sexualität, über individuelle Identität und über die Folgen von Ausgrenzung. Die Herausforderung liegt darin, den historischen Kontext der religiösen Texte zu achten, ohne ihn zur ewigen Norm zu machen. Glaube und Ethik stehen nicht still. Sie entwickeln sich weiter – im Dialog mit der Welt und im Bemühen um eine gerechte und menschenfreundliche Ordnung, in der niemand wegen seiner sexuellen Orientierung verurteilt wird.
Zum Mitnehmen:
Die biblische Verurteilung homosexueller Handlungen entstand in einem anderen kulturellen und medizinischen Kontext. Heute eröffnet das gewachsene Wissen über Sexualität die Möglichkeit, traditionelle Texte neu zu deuten – im Sinne von Würde, Verantwortung und Nächstenliebe.
- Inspiration: Gespräche mit T. u. Quelle
- Bilder: KI-generiert: Copilot
- Quelle: https://www.sonntagsblatt.de/artikel/homosexualitaet-kirche-und-bibel/
- Textbearbeitung und Recherche: KI-unterstützt: Copilot, ChatGPT, Claude ai, DeepSeek.