Die deutsche Gesellschaft – erschlafft im Wohlstand, ermattet im Konsum, infantil im Weltbild und unwillig, die eigene Freiheit zu verteidigen

Worum es geht

Die Bundesrepublik lebt auf einer historischen Insel der Glückseligkeit. Frieden, Demokratie, sozialstaatliche Absicherung, globale Vernetzung: Es gibt kaum eine Gesellschaft, die materiell und institutionell besser ausgestattet wäre. Doch gerade diese Errungenschaften erzeugen eine paradoxe Form der Schwäche. Ein Land, das einst durch Krisen gestählt wurde, zeigt heute eine erschreckende Tendenz zur politischen, geistigen und moralischen Erschlaffung. Freiheit verwandelt sich in Bequemlichkeit, Verantwortung in Delegation, Zukunft in Angst. Deutschland steht vor einem stillen Kulturbruch: von der erwachsenen Republik zur fürsorglich beaufsichtigten Komfortzone.

Wohlstandsdemokratie und politische Narcosis

Historisch waren Demokratien dann am vitalsten, wenn sie sich bedroht sahen: die attische Polis vor Persern, die junge BRD im Schatten des Kalten Kriegs. Doch Sicherheit betäubt. In der Wohlstandsdemokratie wird Politik zum Dienstleistungsbetrieb, Bürger zu Kunden. Die Bereitschaft, für Freiheit Risiken zu tragen, schwindet. Man erwartet Stabilität ohne Einsatz, verfolgt die Nachrichten wie eine Serie: interessiert, aber unbeteiligt. Der Staat wird als übergroßer Schutzmantel betrachtet – und verliert damit seinen republikanischen Charakter. Die demokratische Energie, die in der Weimarer Krise fieberhaft kochte, ist heute der saturierten Apathie gewichen.

Konsum als Lebenszentrum und Verlust der Selbstwirksamkeit

Wo Konsum zum primären Sinnsystem wird, verliert der Mensch seine Fähigkeit zur Selbstbestimmung. Er verwechselt Freiheit mit Auswahlmenüs, Glück mit Dopamin-Kicks und Persönlichkeit mit Markenidentitäten. Der Körper wird optimiert, die Seele vernachlässigt. Im Römischen Reich sah man am Ende ein ähnliches Panorama: Bürger, die einst Legionen bildeten, wurden zu Publikumskörpern im Zirkus – „panem et circenses“. Die äußere Blüte überdeckte die innere Erschöpfung. Auch heute wirkt die Überfülle wie ein Sedativum. Die Frage „Wofür lebe ich?“ wird ersetzt durch „Was brauche ich noch?“. Am Ende steht ein Mensch, der alles hat – außer Grund.

German Angst: Die Pathologisierung des Möglichen

Der deutsche Sonderweg zur Moderne war stets von Skepsis begleitet, von tiefem Ernst, von metaphysischer Vorsicht. Doch was einst intellektuelle Stärke war, ist zu kollektiver Lähmung mutiert. German Angst ist mehr als Angst vor Veränderung: Es ist die Überzeugung, dass jede Veränderung notwendigerweise Verschlechterung bedeutet. Risiko wird moralisch verurteilt, Experiment als Gefährdung wahrgenommen. Jedes technische, soziale oder politische Neuland wird mit Verdacht betrachtet. Diese Angstüberdehnung führt zu politischer Blockade: Man erkennt Probleme früh – und verhindert zugleich konsequentes Handeln. Die Angst schützt nicht mehr – sie verhindert Zukunft.

German Depression: Die Melancholie des Überflusses

Eine weitere Besonderheit ist die Neigung zur kulturellen Grundmelancholie inmitten des Wohlstands. Deutschland ist ein Land, in dem selbst die Zukunftsaussichten als Last empfunden werden. Der Wohlstand wirkt nicht erhebend, sondern beschwerend. Psychologisch entsteht eine Diskrepanz: äußere Sicherheit trifft auf innere Unsicherheit. Wer den Sinn des eigenen Tuns nicht mehr erkennt, verliert die Lust zu handeln – und überlässt das Feld jenen, die laut statt qualifiziert sind. Die depressive gesellschaftliche Grundstimmung äußert sich in Zynismus, Selbstverachtung und einer merkwürdigen Lust an der Untergangserzählung: Man hält den Niedergang für unausweichlich, bevor er überhaupt begonnen hat.

Die deutsche Gesellschaft – erschlafft im Wohlstand
Die deutsche Gesellschaft – erschlafft im Wohlstand

Infantilisierung: Die Republik der Ansprüche

Die Illusion eines stets rettenden Staates führt zu regressiven Tendenzen. Bürger erwarten Versorgung ohne Gegenleistung, Freiheit ohne Verantwortung, politische Wirksamkeit ohne Engagement. Die Welt soll fair sein, Probleme sollen gelöst werden, Konflikte sollen verschwinden. Politische Kultur verwandelt sich in Betreuungsbeziehung – die Regierung als Elternersatz. Moralisierende Vereinfachungen ersetzen nüchternes Abwägen. Es gibt nur noch gute Absichten oder gefährliche Abweichungen. Wer widerspricht, bedroht die Gruppenkohäsion und wird isoliert. Die Tragik der Realität weicht der Harmoniebedürftigkeit eines kindlichen Blicks: „Jemand anderes soll das für uns regeln.“ Doch Freiheit hat keinen Babysitter.

Die Krise des Freiheitsbewusstseins

Freiheit ohne Selbstverteidigungswillen ist keine Freiheit – sondern Leihgabe. Historisch war die Verteidigungsbereitschaft die Grundlage jeder stabilen Ordnung: von römischer republikanischer Bürgertugend bis zur Wehrhaftigkeit der frühen Bundesrepublik. Heute gilt Selbstbehauptung als unzivilisiert, Abschreckung als aggressiv, nationale Verantwortung als reaktionär. Die Ablehnung des Konflikts wird zur gefährlichen Schwäche. Eine Gesellschaft, die sich nicht einmal geistig verteidigen will, verliert ihre Sicherheit bereits bevor sie bedroht wird. Die Bereitschaft, ein Risiko für Prinzipien zu tragen, ist der Lackmustest der Mündigkeit. Er wird immer seltener bestanden.

Historische Warnungen

Rom fiel nicht an äußeren Feinden, sondern an innerer Schwäche. Weimar scheiterte nicht an zu viel Freiheit, sondern an zu wenig Freiheitsbewusstsein. Immer dann, wenn Bürger keine Verantwortung übernehmen wollen, übernehmen andere die Macht über sie. Geschichte ist keine lineare Fortschrittsstory – sie ist ein Pendel. Wer glaubt, die Freiheit sei selbstverständlich, steht bereits an der Schwelle ihrer Erosion.

Zum Mitnehmen

Die Wiedererweckung des republikanischen Charakters

Deutschland muss seine psychische Resilienz neu entdecken. Freiheit braucht Mut, Konfliktfähigkeit, Verantwortung. Wohlstand muss wieder Startpunkt für Gestaltung sein, nicht Sedativum. Konsum darf nicht Ersatzreligion bleiben, sondern muss Werkzeug eines souveränen Lebens werden. German Angst muss verwandelt werden in realistische Wachsamkeit, German Depression in produktive Ernsthaftigkeit. Die Bürger dieser Republik müssen wieder Subjekte ihrer Geschichte werden – nicht verwöhnte Zuschauer in ihrer eigenen Welt. Eine Demokratie überlebt nur, wenn sie gewollt wird. Und Wollen ist Arbeit. Wer Freiheit behalten will, muss sie jeden Tag neu wählen. Sonst wählen irgendwann die Umstände für ihn.

  • Inspiration: Ein Abend mit Daniel Cohn-Bendit
  • Bild: Microsoft Copilot
  • Dieser Artikel wurde unter Verwendung mehrerer redaktioneller KI-Werkzeuge erstellt

Über den Autor:

Der Autor ist geprüfter psychologischer Berater (vfp), Heilpraktiker für Psychotherapie, hat ein postgraduiertes Studium in Psychologie zum Ph.D. (philosophy doctor) absolviert und erfolgreich an der Fortbildung zur Qualifikation ‚Psychosomatische Grundversorgung‘ der Landesärztekammer Hessen teilgenommen.

Er schreibt u.a. über die Übergänge zwischen Nähe und Autonomie, Bindung und Freiheit. Seine Texte verbinden psychologische Tiefe mit dem Blick auf den Menschen, der beides ist: verletzlich und fähig zur Wandlung.