Die Metapher der Klette als Beziehungsmuster

Der Satz „So quälend die Nähe, so unerträglich die Trennung“ beschreibt präzise das Wesen einer Klettenbeziehung, in der sich zwei Menschen wie Klettenpflanzen aneinander festhalten – schmerzhaft in der Nähe, unerträglich in der Distanz. Diese Beziehungsdynamik zeichnet sich durch ein paradoxes Muster aus: Die Partner können weder mit- noch ohneeinander leben, gefangen in einem Kreislauf aus Anziehung und Abstoßung, der ihre emotionale Existenz dominiert. Wie bei echten Kletten haften sie aneinander fest, doch das Lösen verursacht Schmerzen und hinterlässt Spuren.

Traumatische Prägungen als Klebstoff der Verbindung

Die familiären Traumata beider Partner fungieren als unsichtbarer Klebstoff dieser destruktiven Verbindung. Seine Trennungsangst aus der Kindheit, geprägt von elterlichen Konflikten und der drohenden Scheidung, macht ihn zu einem Menschen, der Nähe verzweifelt sucht, aber gleichzeitig die Angst vor Verlust in sich trägt. Ihr unbearbeitetes familiäres Trauma manifestiert sich in dem Bedürfnis zu kontrollieren und zu umsorgen – ein erlerntes Überlebensmuster, das Sicherheit vorgaukelt, aber tatsächlich Distanz schafft. Diese traumatischen Prägungen wirken wie Widerhaken einer Klette: Sie sorgen dafür, dass sich die Partner nicht lösen können, obwohl die Verbindung schmerzhaft ist.

Das Spannungsfeld zwischen Verschmelzungswunsch und Abgrenzung

Er sehnt sich nach totaler körperlicher und emotionaler Verschmelzung, möchte sie „auffressen“, wie es im ursprünglichen Text beschrieben wird – ein kannibalistischer Wunsch nach Vereinigung, der die Grenzen des anderen negiert. Sie hingegen setzt klare Grenzen, nicht brutal, aber bestimmt, was ihn in einem permanenten Zustand der Frustration und des Verlangens hält. Diese Dynamik erinnert an das Verhalten von Klettenpflanzen, die sich um alles schlingen, was sie erreichen können, dabei aber oft das ersticken, was sie umklammern. Sein Verschmelzungswunsch wird zu einer erstickenden Umarmung, während ihre Abgrenzung wie das Abschneiden von Klettentrieben wirkt – notwendig, aber schmerzhaft für beide.

Kontrolle als toxisches Bindungsmittel

Ihr Kontrollbedürfnis und Fürsorgeverhalten, geboren aus der Angst um ihn, wird zu einem weiteren Klettverschluss in dieser problematischen Verbindung. Was als Liebe und Sorge getarnt ist, entpuppt sich als Bevormundung, die sein Selbstwertgefühl untergräbt und ihm das Gefühl vermittelt, nicht vertrauenswürdig oder kompetent zu sein. Diese Art der „Fürsorge“ klebt wie Pattex – zunächst als Schutz gedacht, wird sie zu einer unzerstörbaren Verbindung, die beide Partner in ihrer Entwicklung hemmt. Er fühlt sich in seiner Autonomie beschnitten, kann sich aber nicht befreien, weil seine Trennungsangst stärker ist als sein Wunsch nach Freiheit.

Der Teufelskreis der Konfliktdynamik

Die Beziehung bewegt sich in einem endlosen Kreislauf aus Annäherung und Zurückweisung, Kontrolle und Rebellion, Sehnsucht und Frustration. Wie bei einem defekten Klettverschluss, der sich ständig öffnet und wieder schließt, finden die Partner keine stabile Position zueinander. Seine körperlichen Annäherungsversuche werden zurückgewiesen, was seine Sehnsucht nur verstärkt. Ihr Kontrollverhalten wird als Bevormundung empfunden, was sie wiederum dazu bringt, ihre Fürsorge zu intensivieren. Diese Dynamik nährt sich selbst und wird mit der Zeit immer zerstörerischer, da beide Partner in ihren erlernten Mustern gefangen bleiben.

Das Erbe der elterlichen Beziehungsmuster

Die Beziehung seiner Eltern, geprägt von Konflikten, Alkoholproblemen und dennoch von einer am Ende aufopferungsvollen Fürsorge, dient als Blaupause für seine eigene Beziehungsgestaltung. Er hat gelernt, dass Liebe mit Kampf, Schmerz und letztendlich mit Aufopferung verbunden ist – ein Muster, das er unbewusst reproduziert. Die Klettendynamik wird so zu einem vererbten Verhaltensmuster, bei dem Liebe als etwas verstanden wird, was schmerzhaft ist, aber dennoch unverzichtbar. Die Tatsache, dass seine Eltern sich erst in der Krankheit wirklich umeinander gekümmert haben, verstärkt sein Verständnis von Liebe als etwas, das durch Leid und Krise definiert wird.

Die Unmöglichkeit der Befreiung – oder doch?

In dieser Klettenbeziehung sind beide Partner gefangen in einem System, das sie gleichzeitig nährt und vergiftet. Die Trennung erscheint unerträglich, weil sie beide ihre Identität über diese konfliktreiche Verbindung definiert haben. Gleichzeitig ist die Nähe quälend, weil sie nie die Erfüllung bringt, die beide suchen. Wie bei Kletten, die sich nur unter Schmerzen und mit Kraftaufwand lösen lassen, wobei oft Teile zurückbleiben, würde eine Trennung beide Partner traumatisieren und Narben hinterlassen. Sie bleiben daher in dieser destruktiven Symbiose gefangen, unfähig zur gesunden Intimität, aber auch unfähig zur heilsamen Distanz.

Denn solche Beziehungen wirken wie in sich geschlossene Systeme, die nach eigenen Regeln funktionieren – bis sie kippen. Häufig braucht es eine Krise, ein externer Schock oder einen inneren Kollaps, damit eine Bewegung möglich wird. Die Trennung scheint unerträglich, weil beide Partner ihre Identität über diese Beziehung definieren. Doch gerade darin liegt ein erster Hinweis für einen möglichen Ausweg: Wer bin ich jenseits dieser Verbindung? Was bleibt von mir, wenn der andere mich nicht mehr bestätigt, provoziert oder tröstet? Der Weg aus der Klettenbeziehung führt nicht über den anderen, sondern über das Selbst. Erst wenn beide beginnen, ihre eigenen Anteile zu erkennen, ihre traumatischen Prägungen zu bearbeiten und Verantwortung für ihr emotionales Erleben zu übernehmen, kann eine Veränderung geschehen.

Überleben durch Veränderung

Diese Veränderung kann bedeuten: Die Beziehung zu transformieren – zu einer reiferen, klareren, freieren Form des Miteinanders. Oder sie zu beenden – aus Selbstschutz und mit dem Bewusstsein, dass man Liebe nicht durch Kontrolle, Nähe nicht durch Verschmelzung und Sicherheit nicht durch Klammern erzeugen kann.

Der zentrale Unterschied zwischen einer gesunden und einer klettenden Beziehung ist nicht das Maß an Liebe, sondern der Grad an Selbstkontakt. Nur wer sich selbst spürt, kann den anderen wirklich sehen. Nur wer mit sich selbst in Beziehung ist, kann auch tragfähige Beziehungen zu anderen gestalten. Der Weg aus der Klettenbeziehung ist kein einfacher. Er erfordert Mut, Trauerarbeit, Reflexion und oft therapeutische Unterstützung. Doch er ist möglich – und notwendig, wenn aus der schmerzhaften Symbiose eine heilsame Verbindung werden soll.

Trauer und Bindung bei Partnerverlust

Wenn Klettenbeziehungen enden, kann die Trennung oder der Tod der Partnerin oder des Partners traumatische Ausmaße annehmen. Wer in Abhängigkeit gelebt hat, erlebt den Verlust als existenzielle Selbstentkernung. Nach modifizierten Trauerkonzepten kommt hinzu, dass Klettenpersonen nur bedingt über Mechanismen verfügen, um Distanzräume zu begehen. Der Verlust des Bindungsobjekts trifft sie deshalb umso härter. Neuere Trauermodelle wie Continuing Bonds betonen, dass das Fortbestehen innerer Bindungen zum Verstorbenen nicht pathologisch ist, sondern einen Schutzfaktor darstellen kann.

Klettenpersonen profitieren davon, ihre Beziehung in veränderter Form weiterzuführen – beispielsweise durch Rituale, Briefe oder symbolische Aktivitäten, die eine psychische Sicherheit vermitteln. Zugleich ist wichtig, den realen Verlust anzuerkennen und Zukunftsperspektiven aufzubauen, um nicht in einem fixierten Klammerverhalten stecken zu bleiben.

Psychologische Bewältigung nach Tod des Partners

Die Trauerbewältigung nach dem Verlust eines dominanten Partnerobjekts erfordert spezifische therapeutische Interventionen. Psychoanalytische Kurzzeittherapien mit klärender Orientierung können hier besonders hilfreich sein, da sie Konflikte um Bindung und Abhängigkeit thematisieren und die Übertragung auf die Therapeutin oder den Therapeuten nutzen, um symbolische Machtverhältnisse zu bearbeiten.

Körperorientierte Verfahren unterstützen, wieder ein Gespür für Autonomie im eigenen Körper zu entwickeln. Kognitive Verfahren können helfen, negative Denk- und Bewertungsschemata aufzubrechen, etwa „Ich bin ohne ihn nichts wert“. Ein weiterer Baustein ist die Integration der Erinnerung: fortgeführte Bindungen werden in vielen Studien als Resilienzfaktor identifiziert, wenn sie in eine Lebensgeschichte integriert werden, die sowohl Vergangenes würdigt als auch neue Ziele formuliert.

Fortgeführte Bindungen und Erinnerung

Der Begriff „Continuing Bonds“ beschreibt das Phänomen, durch inneres Gedenken und symbolische Aktionen die Beziehung zum Verstorbenen aufrechtzuerhalten, ohne das Leben gänzlich an der Vergangenheit auszurichten.

Forschungsergebnisse zeigen, dass hinter diesem Konzept drei Dimensionen stehen: die bewusste Präsenzwahrnehmung des Verstorbenen, die Kommunikation und das erneute Erleben der Beziehung sowie das Träumen und die Sehnsucht nach dem Verstorbenen.

Diese Dimensionen wirken sich unterschiedlich auf die Trauerverarbeitung aus: Eine stärkere Präsenzwahrnehmung kann in akuter Phase stabilisieren, während das aktive Gespräche-Führen eher in späteren Phasen tröstet. Beide zusammen fördern eine variable Dynamik, die sowohl Stabilität als auch Flexibilität ermöglicht.

Durch die Analyse von Klettenbeziehungen zwischen Nähe und Distanz wird deutlich, dass diese Beziehungsmuster nicht einfach destruktiv, sondern Ausdruck tiefer Bindungsängste und Machtgefälle sind. In der therapeutischen Praxis geht es deshalb nicht um ein kategorisches Lösen von Nähe, sondern um die bewusste Aushandlung von Nähe-Distanz-Relationen. Die Erweiterung des Trauerverständnisses um fortgeführte Bindungen zeigt, dass selbst drastische Verluste nicht das Ende von Beziehung bedeuten müssen, sondern in veränderter, symbolischer Form weiterleben können. Für Betroffene eröffnen sich so neue Wege zur Stabilisierung ihres Selbstgefühls und zur Entwicklung einer tragfähigen Autonomie.

Inspiration: ‚Das Pattex-Syndrom der Liebe‘ von Stefan Benz. In: Main-Spitze vom 31.7.2025, S. 8.

Dieser Artikel wurde unter Verwendung mehrerer redaktioneller KI-Werkzeuge erstellt.