Du hast alles – Geld, Sicherheit, Freizeit – und trotzdem fühlst du dich leer, ausgebrannt oder innerlich abgestorben. Die Symptome sind diffus: eine Schwere beim Aufwachen, die Frage „Ist das alles?“, das Gefühl, durch die Tage zu gleiten, ohne wirklich anzukommen. Vielleicht liegt das Problem nicht an deinem Job, deinem Chef oder deinem Instagram-Lifestyle, sondern daran, dass dir das Warum fehlt.
Viktor Frankl, Psychiater und Überlebender von vier Konzentrationslagern, formulierte eine der kraftvollsten Erkenntnisse der modernen Psychologie: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ Wer dieses Warum kennt, findet Halt, selbst in Zeiten von Erschöpfung und globaler Unsicherheit. Wer es nicht kennt, merkt, dass selbst das Schönste leer bleibt.

Ein perfekter Sonntag – und die große Leere

Es war ein Sonntag, der perfekt hätte sein sollen. Markus, 42, zwei Kinder, ein sicherer Job, ein solides Leben, saß allein in der Küche und starrte auf seinen Kaffee, der langsam kalt wurde. Das Wochenende war frei, kein Druck, kein Termin, kein klingelndes Telefon. Alles war ruhig, alles war da. Und doch fühlte er sich innerlich leer, fast wie ein Zuschauer in seinem eigenen Leben.
Die Sonne fiel freundlich durch das Fenster, die Kinder spielten leise in ihren Zimmern, seine Frau schlief noch. Markus spürte einen stillen Druck in der Brust, ein diffuses Gefühl, das wir alle kennen: Ich müsste glücklich sein… aber ich bin es nicht. Warum nicht? Er war weder überarbeitet noch krank, alles schien in Ordnung. Aber irgendetwas fehlte, und dieses „etwas“ machte alles andere unscharf. Die Tage fühlten sich an wie eine Endlosschleife: Aufstehen, funktionieren, ins Bett gehen. Selbst die schönen Momente – ein Lachen der Kinder, ein gemeinsames Abendessen – erreichten ihn nicht mehr wirklich. Es war, als würde er sein Leben durch eine Glasscheibe beobachten: nah dran, aber doch nicht mittendrin.

An diesem Morgen stieß er auf den Satz: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ Er blieb daran hängen wie an einem dünnen Faden. Plötzlich wusste er: Wenn er diesen Faden aufnimmt, könnte er wieder etwas finden, das er längst verloren hatte.

Die Kluft zwischen Haben und Sein

Die Paradoxie unserer Zeit ist offensichtlich: Wir haben mehr Freiheit, mehr Wohlstand, mehr Möglichkeiten als je zuvor – und gleichzeitig steigen Depression, Angststörungen und existenzielle Leere kontinuierlich. Wir optimieren Morgenroutinen, tracken Schritte, meditieren für Balance – und fühlen uns dennoch nicht erfüllt.

Warum? Weil wir gelernt haben, unser Leben zu managen, aber verlernt haben, ihm Bedeutung zu geben. Wir fragen: „Wie kann ich effizienter werden?“ statt „Wofür lebe ich?“ Wir suchen nach perfekter Work-Life-Balance, übersehen aber, dass Balance ohne Sinn nur eine elegante Form der Leere ist. Frankls Logotherapie – die Therapie der Sinnfindung – fragt nicht: „Was will ich vom Leben?“ sondern: „Was will das Leben von mir?“

Das existenzielle Vakuum

Frankl beobachtete, dass Menschen nicht an Belastungen zerbrechen, sondern an Bedeutungslosigkeit. Er prägte dafür den Begriff des „existenziellen Vakuums“ – eine innere Leere, wenn das Leben zwar funktioniert, aber nichts mehr zählt. Symptome: chronische Langeweile trotz Beschäftigung, Rollen spielen, diffuse Unzufriedenheit. Moderne Studien bestätigen: Menschen mit klarem Lebenssinn haben ein deutlich geringeres Risiko für Depressionen, Angststörungen und körperliche Erkrankungen.

Die drei Wege zum Sinn

Sinn entsteht auf drei Wegen: Erleben – die Intensität von Momenten echter Verbundenheit, Schönheit oder Nähe spüren; Schaffen – Tätigkeiten oder Projekte, die uns bedeutsam erscheinen, egal ob Arbeit, Ehrenamt oder Kreativität; Stellungnahme – bewusst Haltung zeigen, Werte leben und Entscheidungen treffen, selbst in schwierigen Situationen. Frankl fand im Konzentrationslager Sinn darin, Würde zu bewahren, anderen zu helfen und an die Bedeutung seines Überlebens zu glauben.

Das ‚Warum‘ als Schutzschild

Wer ein inneres „Warum“ hat, hält Belastungen aus, nicht weil er stärker ist, sondern weil er weiß, wofür er lebt. Dieses Warum ist kein leeres Motto, sondern ein lebendiger Bezug: ein Mensch, ein Projekt, ein Wert. Die Überlebenden im Konzentrationslager waren nicht die Stärksten, sondern jene mit einem Warum. Sinn macht das Leben nicht leichter, aber tragbar.

Die drei großen Illusionen unserer Gesellschaft

Erstens: Weniger Arbeit gleich mehr Zufriedenheit? Falsch. Bedeutungslose Arbeit macht unglücklich. Zweitens: Mehr Freizeit gleich mehr Erfüllung? Falsch. Freizeit ohne inneren Bezug ist Leerlauf. Drittens: Angenehme Umstände gleich Stabilität? Falsch. Bedeutsame Beziehungen und Aufgaben geben Halt. Wir haben gelernt, nach Balance zu suchen, aber verlernt, nach Bedeutung zu fragen. Burnout entsteht weniger durch Zuviel an Arbeit als durch Zuwenig an Sinn.

Markus‘ Weg zur Rückkehr seines „Warum“

Markus hatte alles „richtig“ gemacht – Studium, Karriere, Familie, Eigenheim. Doch innerlich war er wie abgestorben. Seine Arbeit war anspruchsvoll, aber seelenlos, die Abende mit der Familie routiniert. Die entscheidende Frage lautete: Wofür stehe ich morgens auf, außer um zu funktionieren? Antworten kamen in kleinen Momenten: Ein Blick auf eine Zeichnung seiner Tochter, ein Gespräch mit seiner Frau. Markus begann, jeden Abend zehn Minuten bewusst mit einem seiner Kinder zu verbringen – ohne Ablenkung. Parallel entdeckte er seine alte Leidenschaft fürs Schreiben wieder. Nach drei Monaten spürte er innere Lebendigkeit. Sein Leben war nicht leichter, aber es hatte wieder einen Ankerpunkt, einen Sinn.

Die globale Perspektive

Außerhalb Europas ist Sinn oft Überlebensstrategie. Menschen überstehen Kriege, Armut oder Katastrophen, weil sie tief in Familien, Gemeinschaften und Traditionen verwurzelt sind. Sinn entsteht dort in Verbundenheit. Vielleicht fehlt uns nicht Erholung, sondern echte Nähe. Mehr „Wir-Räume“ statt nur „Ich-Zeit“.

Praktische Wege: Dein Warum finden

Reflektiere: Wann fühlst du dich lebendig? Was tust du, das dir Bedeutsamkeit gibt? In welchen Situationen entscheidest du bewusst für deine Werte? Die Grabstein-Frage hilft radikal: Was soll über dich stehen, wenn du gehst? Die Energie-Landkarte zeigt, was dir Kraft gibt oder raubt. Die 10-Minuten-Regel: Widme täglich zehn Minuten einer Sache, die dir wirklich wichtig ist.

Zum Mitnehmen

Sinn ist keine Luxusfrage. Ein Warum gibt Kraft, Orientierung und Stabilität. Die zentrale Frage lautet nicht: Wie mache ich mein Leben leichter? Sondern: Wofür möchte ich es tragen? Ein Warum muss nicht groß sein, aber echt. Starte heute: zehn Minuten bewusst für etwas, das dir wichtig ist. Wer sein Warum kennt, kann alles ertragen – und ein Leben führen, das wirklich lebt.

Zum Schluss

Wie war das nochmal? Alles da – und trotzdem leer? Du hast Geld, Sicherheit, Freizeit – und fühlst dich innerlich wie ein Zuschauer in deinem eigenen Leben. Du scrollst, optimierst, planst – und merkst, dass dich nichts mehr wirklich erfüllt. Ohne dein Warum bleibt alles nur Fassade. Finde es, halte daran fest, und erlebe, wie dein Leben wieder Energie, Bedeutung und echte Präsenz bekommt.

  • Inspiration: Predigt von Herrn Pfarrer Mulach in der katholischen Pfarrgemeinde Johannes XXIII in Rüsselsheim-Königstädten vom 15.11.2025.
  • Bildmaterial: KI-generiert. Microsoft Copilot.
  • Dieser Artikel wurde unter Verwendung mehrerer redaktioneller KI-Werkzeuge erstellt.

Über den Autor:

Der Autor ist geprüfter psychologischer Berater (vfp), Heilpraktiker für Psychotherapie, hat ein postgraduiertes Studium in Psychologie zum Ph.D. (philosophy doctor) absolviert und erfolgreich an der Fortbildung zur Qualifikation ‚Psychosomatische Grundversorgung‘ der Landesärztekammer Hessen teilgenommen.

Er schreibt u.a. über die Übergänge zwischen Nähe und Autonomie, Bindung und Freiheit. Seine Texte verbinden psychologische Tiefe mit dem Blick auf den Menschen, der beides ist: verletzlich und fähig zur Wandlung.