Worum es geht
Ein Mann verliert seine Partnerin – aber nicht wirklich. Zwölf Jahre gemeinsames Leben lösen sich auf, doch der Kontakt bleibt bestehen. Zwischen Hoffnung, Selbsttäuschung und emotionaler Abhängigkeit verliert er allmählich den Halt.
Was wie eine Liebesgeschichte beginnt, zeigt sich zunehmend als Lehrstück über Bindungsdynamik, Verlustangst und die Macht ungelöster Kindheitserfahrungen.

Der Fall
„Ich habe mit meiner Lebensgefährtin zwölf Jahre zusammengelebt. Es gab keine Probleme. Sie wohnte bei mir im Haus, das wir als unser gemeinsames betrachteten. Ich arbeitete in der Nähe, sie war oft im Außendienst in Norddeutschland – zwei bis drei Tage pro Woche, zum Wochenende kam sie regelmäßig zurück.
Vor etwa einem Jahr blieb sie bis Donnerstag an ihrem Dienstort und fuhr freitags nach Norden. Das erschien mir verständlich, da sie im Life-Science-Bereich tätig war und Fortbildungen auch an Wochenenden leitete. Manchmal rief sie am Samstag an, sie sei zu müde, um die 700 km noch zu fahren. Auch das fand ich plausibel – sie meldete sich häufig, schickte liebevolle Nachrichten, und jeder Verdacht verflog.
Dann kam der Paukenschlag. Beim Frühstück erklärte sie beiläufig, sie richte sich in der Nähe eine Wohnung ein, und fragte, ob ich sie sehen wolle. Mir war, als hätte mir jemand mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen.
Später holte sie mich ab, wir fuhren schweigend dorthin. Im zweiten Stock zeigte sie mir eine kleine Drei-Zimmer-Wohnung. Auf meine fassungslose Frage, was das solle, sagte sie ruhig:
„Nach zwölf Jahren brauchen wir etwas Abstand. Ich bin dann näher bei der Arbeit, und zu dir ist es ja nicht weit. Vielleicht wird unsere Beziehung dadurch wieder spannender.“
Ich schöpfte Hoffnung. Doch bald blieb sie immer länger im Norden, kam seltener, und wenn, dann nur kurz. Immer wenn sie anrief, schmolz jede Entschlossenheit dahin – Angst und Hoffnung wechselten einander ab.
Eines Abends, nachdem wir miteinander geschlafen hatten, erzählte sie zögernd, dann fließend, von einem anderen Mann. Ich verließ sie unter Tränen. Einerseits war ich erleichtert, dass das Unsagbare endlich ausgesprochen war, andererseits tat sich in mir ein bodenloses Loch auf. Ich irrte durch die Wohnung, wie betäubt. Eine Flasche Rotwein half mir einzuschlafen.
Sechs Wochen später meldete sie sich, als sei nichts geschehen. Ich fuhr zu ihr – Fehler Nummer zwei. Schon nach Minuten waren wir wieder in der alten Vertrautheit. Sie erzählte von ihrem neuen Partner, machte Witze über ihn, und wir lachten sogar zusammen. Erst als sie mich bat, nun heimzugehen, begriff ich mein Elend.
So ging es über ein Jahr. Nach jeder Enttäuschung kam bald wieder ihr Anruf, und mit ihm die Hoffnung auf Rückkehr. Am Telefon war sie vertraut wie früher, sprach mit mir über alles – auch über ihn. Wenn sie in unsere Wohnung kam, war ich sofort wieder bei ihr. Diese Abende waren wie Inseln der Seligkeit in einem Meer aus Leere. Doch sobald ich sie auf unsere Zukunft ansprach, wurde sie kühl. Also schwieg ich, aus Angst, sie endgültig zu verlieren.
Das Schlimmste war ihr Satz:
„Wir sind wie beste Freunde, die sich alles sagen können, ohne Verpflichtung.“
Ich fragte mich, wo all die Nähe geblieben war, die uns einst verband. Und doch: Wenn sie anrief, fiel alles – jede Wut, jeder Vorsatz – in sich zusammen. Es war wie eine Sucht, so wie der Wein, den ich jeden Abend brauche, um einzuschlafen.“
Psychologische Analyse
Die erste Sitzung war als open end vereinbart, damit er sich frei aussprechen konnte. Seine Symptome waren klar: Verlustangst, emotionale Abhängigkeit, fast Hörigkeit.
Für seine Ex war die Lage bequem – sie hatte den Reiz des Neuen und die Geborgenheit des Vertrauten. Sie spielte mit beiden Partnern, nährte seine Hoffnung und hielt so die Kontrolle.
Er erkannte die Aussichtslosigkeit, war sich seines Leidens bewusst, aber unfähig, eine klare Entscheidung zu treffen. Er blieb in der Opferrolle, lebte von dem, was sie ihm übrigließ – was sein Selbstbewusstsein weiter schwächte.
Auch sie schien unentschlossen: zwischen Egobefriedigung und Angst vor Verlust. Eine Mischung, die ihr nutzte, ihm aber schadete.
Die tiefere Dynamik
Was brachte ihn in diese Abhängigkeit, in der er Demütigung und Selbstentwertung ertrug und sie dennoch begehrte?
Die Frau verweigerte Gespräche und jede Form der Paartherapie. Für eine Freundschaft brauche man keine Therapie, meinte sie.
Tiefenpsychologisch zeigte sich ein unvollendeter Entwicklungsprozess. Er erzählte etwa von einem „Piratenzimmer“, das sie gemeinsam eingerichtet hatten – ein kindlich-verspielter Ort, den sie später ablehnte. Dieses Detail gewann Bedeutung, als er beiläufig erwähnte, dass sein Vater sich das Leben genommen hatte, als er fünfzehn war.
Der Vater war verschlossen, der Mutter gegenüber distanziert – eine männliche Identifikationsfigur fehlte. Die notwendige Ablösung aus der Mutterbindung blieb aus. In der Pubertät fehlte jemand, der ihm half, Emotionen zu verstehen, Grenzen zu setzen, sich als Mann zu erfahren.
So wurde die spätere Partnerin zur ersten Frau, die ihm das Gefühl gab, liebenswert zu sein. Ihre Zuwendung stillte ein altes Defizit; ihr Rückzug drohte, ihn in die frühere Leere zurückzuwerfen.
Lieber eine zerstörerische Beziehung als gar keine – das war sein unbewusstes Muster.
Sie spürte seine Schwäche und nutzte sie aus, während er sich ihr widerstandslos überließ.
Therapeutischer Weg
In zwölf doppelstündigen Sitzungen arbeiteten wir dieses Muster heraus. In einer hypnotherapeutischen Sitzung packte er symbolisch all seine Lasten in einen Kahn und schickte ihn hinaus aufs Meer. Er hatte es geschafft. Danach wollten wir die Aussöhnung mit dem Vater angehen.
Einige Wochen später meldete er sich wieder. Er habe den Kontakt zu seiner Ex erneut aufgenommen. „Mit ihr ist es schwierig“, sagte er, „ohne sie aber unmöglich.“
Zum Mitnehmen
Diese Geschichte zeigt, wie tief alte Verletzungen in unsere Bindungsfähigkeit hineinwirken. Der Verlust des Vaters hatte in ihm ein ungestilltes Bedürfnis nach Bestätigung und Nähe hinterlassen – ein Vakuum, das sich in der Beziehung zur Partnerin wiederholte. So wurde aus Liebe Abhängigkeit, aus Sehnsucht Selbstaufgabe.
Wer verstehen will, warum er sich nicht lösen kann, sollte nicht auf die andere Person blicken, sondern auf die eigene innere Geschichte.
Erst wenn wir erkennen, dass wir in der Gegenwart oft um eine Vergangenheit kämpfen, die nie befriedet wurde, kann wirkliche Freiheit beginnen.
Reflexion
Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie unbewältigte frühe Verlusterfahrungen spätere Beziehungen prägen und verzerren können. Emotionale Abhängigkeit ist dabei kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck eines alten inneren Mangels, der nach Heilung sucht. Erst wenn der Betroffene begreift, dass er nicht die Partnerin, sondern den verlorenen Teil seiner selbst zurückgewinnen muss, beginnt wirkliche Veränderung. Heilung bedeutet dann nicht Loslassen der anderen, sondern Wiederfinden der eigenen Mitte.
- Inspiration: Der Fall K.
- Bild: KI-generiert. ChatGPT
- Dieser Artikel wurde unter Verwendung mehrerer redaktioneller KI-Werkzeuge erstellt.
Über den Autor:
Der Autor ist geprüfter psychologischer Berater (vfp), Heilpraktiker für Psychotherapie, hat ein postgraduiertes Studium in Psychologie zum Ph.D. (philosophy doctor) absolviert und erfolgreich an der Fortbildung zur Qualifikation ‚Psychosomatische Grundversorgung‘ der Landesärztekammer Hessen teilgenommen.
Er schreibt u.a. über die Übergänge zwischen Nähe und Autonomie, Bindung und Freiheit. Seine Texte verbinden psychologische Tiefe mit dem Blick auf den Menschen, der beides ist: verletzlich und fähig zur Wandlung.