Eine Geschichte über ein Mädchen, das zu laut, zu wütend und zu verletzt ist – und damit sichtbar macht, wo unsere Gesellschaft an ihre Grenzen stößt.

1. Ein Morgen im Heim

Es ist halb sieben, als Mira zum dritten Mal gegen die Tür tritt. „Lasst mich raus!“, schreit sie, die Stimme bricht. Die Betreuerin im Flur bleibt ruhig, spricht leise durch die geschlossene Tür: „Mira, ich bleibe hier. Du bist sicher.“ Doch Mira hört nicht zu. Sie hämmert, schreit, weint – und verstummt plötzlich. Nur ihr schneller Atem bleibt. Später wird die Betreuerin sagen: „In diesen Momenten sehe ich nicht die Wut. Ich sehe ein Kind, das Angst hat, vergessen zu werden.“

Mira ist 13 Jahre alt, dünn, mit hellen Augen und einem Körper, der ständig unter Spannung steht. Wenn sie lächelt, wirkt sie fast jünger. Aber das passiert selten.

2. Ein konstruiertes, aber wahres Schicksal

Mira ist keine reale Person. Sie ist eine verdichtete Figur, zusammengesetzt aus dutzenden realer Geschichten. Geschichten von Kindern, die niemand mehr „unter Kontrolle“ bekommt, die zwischen Jugendhilfe, Psychiatrie und Schule hin- und hergeschoben werden.

Fachleute nennen sie „Systemsprenger“. Das klingt nach Rebellion, nach Zerstörung. Tatsächlich beschreibt es Verzweiflung – die eines Kindes, das schreit, weil es sonst niemand hört.

3. Ein Leben voller Brüche

Miras Geschichte beginnt in einem Land, an das sie sich kaum erinnert. Ihre Mutter flieht mit ihr aus einem Bürgerkriegsgebiet nach Deutschland. Der Vater bleibt zurück, verschollen.

Die Mutter arbeitet nachts in einer Reinigungsfirma, schläft tagsüber, kämpft mit Flashbacks und Albträumen – eine unbehandelte posttraumatische Belastungsstörung. „Sie hat versucht, stark zu sein“, erzählt eine Sozialarbeiterin. „Aber wenn du selbst traumatisiert bist, kannst du einem Kind kaum Sicherheit geben.“ Die Männer im Leben der Mutter bringen selten Ruhe. Einer schlägt, einer trinkt, einer verschwindet. Für Mira bedeutet das: Nähe ist gefährlich. Vertrauen endet mit Schmerz.

Mit fünf Jahren kommt sie zum ersten Mal in eine Pflegefamilie. Nach einem halben Jahr zurück zur Mutter. Die Hoffnung stirbt nie ganz.

4. Wenn Bindung Angst macht

Im Kindergarten fällt Mira auf. Sie schreit, wenn andere Kinder sie anfassen. Sie zerstört Spielzeug, das sie liebt. Wenn die Erzieherin sie trösten will, spuckt sie.  „Manchmal wollte sie nur, dass jemand bleibt, egal was sie tut“, sagt eine Betreuerin. „Wenn man sie festhält, beruhigt sie sich. Aber zu fest darf man nicht – sonst dreht sie durch.“

Psychologen nennen das „bindungsdesorganisiert“. Nähe wird gesucht und zugleich gefürchtet. Neurobiologisch steht ihr Stresssystem dauerhaft auf Alarm. Schon kleine Reize – ein lautes Geräusch, eine unerwartete Berührung – lösen Panik oder Aggression aus.  Miras Wut ist kein Trotz. Sie ist Selbstschutz.

5. Schule als Schlachtfeld

In der Schule eskaliert es. Mira hält kaum fünf Minuten still. Wenn sie überfordert ist, wirft sie Stifte, rennt aus dem Klassenzimmer, schreit Lehrkräfte an. Bald gilt sie als „nicht beschulbar“.

„Sie war klug“, erinnert sich ein Lehrer. „Aber dann kam diese Wand aus Wut – und du wusstest: Jetzt ist sie nicht mehr erreichbar.“ Mehrere Förderschulen lehnen sie ab. Eine Psychologin empfiehlt eine geschlossene Einrichtung. Das Jugendamt zögert: zu teuer, zu drastisch. Also wieder eine neue Wohngruppe. Wieder ein Neuanfang. Wieder ein Abbruch.

6. Diagnose über Diagnose

Die Akte wird dicker:

  • ADHS
  • Emotionale Instabilität
  • Depressive Episoden
  • Dissoziative Zustände

Manchmal hört Mira Stimmen, manchmal schlägt sie sich selbst. Medikamente helfen kaum. Jede Diagnose beschreibt nur einen Ausschnitt – das Ganze lässt sich nicht auf ein Wort reduzieren.

7. Wenn das System an seine Grenzen kommt

„Wir haben alles versucht“, sagt ein Jugendamtsmitarbeiter. „Einzelbetreuung, Therapie, Medikamente. Aber wenn ein Kind so viele Baustellen hat, gibt es keinen Ort, der alles auffangen kann.“ Die Systeme – Jugendhilfe, Psychiatrie, Schule – arbeiten nebeneinander, nicht miteinander. Jeder Abbruch verstärkt in Mira die Überzeugung: Ich bin das Problem.

Fachleute sprechen von „sekundärer Traumatisierung durch Institutionen“. Kinder, die immer wieder Ablehnung erfahren, verinnerlichen das Gefühl, unerträglich zu sein.

8. Die Psychologie der Wut

Wut ist bei Kindern wie Mira kein Feind, sondern ein Signal. „Hinter jeder Wut steckt Ohnmacht“, sagt die Traumatherapeutin Dr. Anne Riedel. „Doch die Gesellschaft will Ruhe. Also behandelt sie Symptome, statt Sicherheit zu schaffen.“

Wut schützt Mira davor, Trauer und Einsamkeit zu spüren. Sie ist ein Versuch, das innere Chaos zu ordnen.

9. Der Blick auf die Mutter

Auch Miras Mutter ist kein Monster. Sie ist eine Frau, die selbst Opfer ist – von Krieg, Armut, Gewalt. „Ich hab’ mein Bestes gegeben“, sagt sie in einem fiktiven Gespräch. „Aber wenn dein Herz immer rast, wie willst du dann Ruhe weitergeben?“

Hier zeigt sich ein Tabu: Eltern, die selbst traumatisiert sind, können oft keine Stabilität geben. Das Sozialsystem greift zu spät oder zu bürokratisch.                                                                

10. Hoffnung im Kleinen

Es gibt Momente, in denen Mira lacht. Beim Malen, wenn sie Farben wild über das Papier wirft. „Das ist mein Kopf, wenn ich schlafe“, sagt sie einmal.

Solche Kinder brauchen keine Disziplinierung, sondern Sicherheit in kleinen Dosen. Traumasensible Verfahren – Bindungs- und Körpertherapien – können helfen. Aber sie brauchen Zeit, Kontinuität und Geduld.

11. Was aus Mira wird

Heute lebt Mira in einer kleinen Einrichtung. Drei Betreuerinnen, sechs Kinder. Sie darf im Garten arbeiten, manchmal beim Kochen helfen. Wenn sie wütend wird, darf sie in den Wald laufen.

Ob sie ein „normales“ Leben führen wird, weiß niemand. Vielleicht muss das Ziel auch nicht Normalität heißen. Vielleicht reicht es, wenn sie erfährt: Beziehung kann halten, auch wenn man schreit.

12. Eine Frage der Haltung

Der Fall Mira zeigt, wie schmal die Linie zwischen individuellem Leid und gesellschaftlicher Verantwortung ist.

„Man kann kein Kind therapieren, das sich ständig verteidigen muss“, sagt Dr. Riedel. „Erst wenn das Umfeld sicher ist, kann Heilung beginnen.“ Das bedeutet: Wir müssen Systeme verändern, nicht nur Kinder. Weniger Kontrolle, mehr Beziehung. Weniger Sanktion, mehr Verständnis.

13. Der gesellschaftliche Spiegel

Kinder wie Mira sind ein Spiegel. Sie zeigen, was unsere Gesellschaft verdrängt: Angst, Einsamkeit, Überforderung.  „Systemsprenger“ ist also kein Kind, das das System zerstört. Es ist ein Kind, das das System sichtbar macht – in all seinen Rissen.

Vielleicht sollten wir den Begriff umkehren: Nicht Mira sprengt das System. Das System sprengt Mira. Und damit ein Stück von uns selbst.

14. Ein letzter Blick

Am Abend sitzt Mira auf der Treppe vor dem Heim. Der Himmel ist grau, der Wind riecht nach Regen. Die Betreuerin setzt sich neben sie. „War ein harter Tag“, sagt sie. Mira nickt. Dann fragt sie leise: „Bleibst du morgen auch?“

Eine unscheinbare Frage. Aber vielleicht ist sie der Anfang von allem.

Inspiration: Lektüre: „Kosten für Kinder- und Jugendhilfe explodieren. Die Stadt hat 2024 mehr als 21 Millio0nen Euro für Erziehungshilfen ausgegeben. Das liegt auch an komplizierten Einzelfällen, wie sich am Beispiel eines ‚Systemsprengers‘ zeigt.“  In: Main-Spitze Rüsselsheim, 23.Oktober 2025, S. 13.

Dieser Artikel wurde unter Verwendung mehrerer redaktioneller KI-Werkzeuge erstellt.

Über den Autor:

Der Autor ist geprüfter psychologischer Berater (vfp), Heilpraktiker für Psychotherapie, hat ein postgraduiertes Studium in Psychologie zum Ph.D. (philosophy doctor) absolviert und erfolgreich an der Fortbildung zur Qualifikation ‚Psychosomatische Grundversorgung‘ der Landesärztekammer Hessen teilgenommen.

Er schreibt u.a. über die Übergänge zwischen Nähe und Autonomie, Bindung und Freiheit. Seine Texte verbinden psychologische Tiefe mit dem Blick auf den Menschen, der beides ist: verletzlich und fähig zur Wandlung.